Wanderung auf der tschechischen Südvariante des Jakobsweges

6 · 18 · 19

Zu Fuß unterwegs mit einem Wanderwagen/Pilgerwagen

20. – 25. Mai 2019

 Vorbemerkung

Nach dem Testlauf mit einem “billigen” Radanhänger/Wanderwagen (siehe Reisebericht “Grenzwanderung”) habe ich mir einen Wanderwagen / Pilgerwagen bauen lassen und damit eine erste Wandertour unternommen.

 1.Tag

Prag/Radotin -Solopysky – Vonoklasy – Morinka   13 km

Mit der Bahn fahre ich vom Bahnhof in Stankov über Pilzen nach Prag-Radotin. Schon während der Fahrt ab Pilzen prasselt der Regen an die Fensterscheiben des Zuges. Das sieht nicht gut aus. Als ich in Prag-Radotin den Zug verlasse muss ich als erstes meine Regenhose und Regenjacke anziehen. Und nach nur wenigen Metern durch den Ort, bleibt mir nichts anderes übrig, als mich irgendwo unterzustellen. Hier stehe ich und warte erst einmal eine lange Zeit bis der Regen etwas nachlässt. Somit gibt es gleich die Gelegenheit meine mitgebrachten belegten Brote zu essen. Der Regen lässt zwar irgendwann nach, aber er hört nicht auf und so entscheide ich mich los zu laufen. Zum Glück finde ich schnell die Markierung, die mich aus dem Ort hinaus in den Wald führt. Zu Beginn dieses Weges geht es gleich steil bergauf und in der Mitte des Weges kommt das Regenwasser von oben herunter “geschossen”. Nur mit allergrößter Mühe gelingt es mir diesen Anstieg ohne auszurutschen oder hinzufallen, zu bewältigen. Endlich erreiche ich die Anhöhe und nun lässt der Regen deutlich nach um einige Zeit später sogar aufzuhören. Etwas schwierig gestaltet sich die weitere Wegfindung und immer wieder sind steile Anstiege dabei. Ganz schön viel für den ersten Tag! 

In Morinka bin ich müde und es ist auch schon nach 18 Uhr. So beginnt meine Schlafplatzsuche. Zelten will ich möglichst vermeiden, da es überall sehr nass ist. Am letzten Haus des ruhigen und schönen Ortes frage ich einen Mann, ob ich in der Sommerküche seines Hofes auf dem Boden schlafen darf. Zuerst ist er abweisend, dann aber doch neugierig und so darf ich bleiben. Er bringt mir sogar eine Liege und lädt mich zu einem Bier ein. Sogar duschen kann ich im Freien, auch wenn das Wasser nicht warm ist. Aber ich habe gelernt auf Reisen dieser oder ähnlicher Art, mit wenig zufrieden zu sein. Später bringt er mir noch einen Elektrokocher und so kann ich etwas kochen, ohne meinen Kocher auspacken zu müssen. Abends unternehmen wir und sein Hund noch einen Spaziergang durch den Ort und über die Felder, bevor ich mich kurz vor Einbruch der Dunkelheit in den Schlafsack auf die Liege verkrieche.

2. Tag

Morinka – Karlstejin – Zadni Treban -Halouny – Kytin – Voznice – Dobris 26 km

Gegen 5 Uhr morgens wird es hell und mir ist auch etwas kalt, so dass ich wach werde. Kurz danach packe ich schon zusammen und noch vor 6 Uhr verlasse ich nach einem kurzen Frühstück das Anwesen. Im Haus selbst regt sich verständlicherweise noch nichts. Ich folge einem schönen, schmalen Weg durch eine Bilderbuchlandschaft bis Karlstejin. Ein toller Blick auf die gleichnamige Burg krönt den Abschluss dieser Teilstrecke. Danach ändert sich die Richtung und über einen leichten Höhenzug geht es weiter bis Zadni Treban. Vor einem Lebensmittelladen frühstücke ich dann “richtig” um gestärkt den weiteren Weg in Angriff zu nehmen. Ein verschlungener Weg führt mich nach einigen Umwegen mangels klarer Beschilderung nach Halouny. Ein winziger, anmutiger Ort. Danach muss ich erneut lange suchen und viel unnötig laufen, bis ich den richtigen Weg, vielmehr eine Forststraße, die sich unendlich durch den Wald hinzieht, finde. Ziemlich schlapp erreiche ich dann um die Mittagszeit Kytin. Ein Restaurant mit Privatbrauerei liegt direkt am Ortseingang und so überlege ich nicht lange und genehmige mir ein Tagesessen und ein Pivo (Bier). Nach einer längeren Pause geht es wieder weiter, das Laufen fällt mir aber jetzt deutlich schwerer als noch am Morgen. Quer durch den Wald und über Stock und Stein heißt es jetzt. Gegen 16 Uhr komme ich in Dobris an und kaufe im ersten Supermarkt noch Proviant ein. Mein Smartphone führt mich bis kurz vor das Haus meines heutigen (Rad-) Dachgebers mit dem Namen Petr.

Dann macht der Akku schlapp. Petr ist ein netter, junger Radler und so gibt es heute Abend viel zu erzählen. Noch dazu ein warmes Essen und eine warme Dusche sowie ein Bett. Richtiger Luxus zum Tagesabschluss!

3. Tag

 

Dobris – Rosovice – Buková – Pribram – Bohutin 20 km

Nach dem Frühstück geht es mit meinem Wagen wieder los. Zunächst entlang einer wenig befahrenen Straße bis Rosovice. Hier beginnt eine blaue Markierung, die mich über Holsiny schön durch den Wald bis Buková führt. Hier entscheide ich mich nicht den eigentlichen Weg über einen Höhenzug, sondern eine kürzere Variante zu nehmen. Diese führt über Picin und Zivory. Dann nehme ich einen Waldweg, der sich als schlecht, morastig und mit dem Wagen schwer zu befahren erweist. Ich versuche die ursprüngliche Markierung wieder zu finden, aber vergeblich. Erst viel, viel später komme ich an einer Wegegabelung zu dieser Markierung. Zum Glück – denn die Markierung führt mich nun auf stillen Wegen und Straßen bis in das Zentrum der Stadt Pribram. Mein Hunger treibt mich als erstes zu einem Döner-Laden und danach noch in eine Art Suppenküche. Nach dieser dringend nötigen Stärkung geht es immer bergauf zum “Heiligen Berg” (Svatá Hora) von Pribram. Dieser war einst das bedeutendste Marienheiligtum in Tschechien. Die durch die Mauer eines Freskengeschmückten Prozessionsumganges sowie von mehreren Kapellen umschlossene Kirche Maria Himmelfahrt entstand im Zuge der Gegenreformation in der Zeit von 1658 bis 1709. Danach dauert es einige Zeit bis ich durch die weitläufige Stadt einen Weg hinaus finde. Anschließend folgt der Weg einem Bach ohne Verkehr. Bei Bohutin frage ich an einem Haus, ob ich im Garten das Zelt aufschlagen darf. Doch die Frau traut sich nicht “ja” zu sagen. Dafür schenkt sie mir einige Stücke frisch gebackenen Kuchen. Weitere Fragen an Häusern enden ebenfalls negativ und so folge ich dem Rat eines Mannes und laufe zu einem Sportplatz mit Naturschwimmbad nebenan, etwa 1 km vom Ort entfernt. Natürlich höher gelegen…

 Nah am Schwimmbad – zum Schwimmen ist mir das Wasser aber doch etwas zu kalt – koche ich mir als erstes etwas auf dem Kocher. Und während des Kochens fängt es leicht an zu regnen. Also erstmal den Wagen mit der Plastikplane abdecken. Nachdem es dann doch weiter regnet, bleibt mir nichts anderes übrig, als im Regen mein Zelt aufzuschlagen und meine Sachen vom Wagen darin zu verstauen. Kein einfacher Tag heute – ein langer, teilweise schwieriger Weg und zum Abschluss auch noch Regen. Bleibt mir nur zu hoffen, dass es heute Nacht nicht zu stark regnet.

4. Tag

Bohutin – Stryckovy – Nesvacily – Rozmital pod Trémsinem – Trémsin 25 km

Als ich frühmorgens aufwache, prasseln Regentropfen auf das Zeltdach. Ich bleibe noch eine Weile liegen und frühstücke dann im Zelt. Der Regen hört nicht auf und so bleibt mir wieder nichts anderes übrig, als auch im Regen das Zelt abzubauen. Was für ein Start an diesem Tag! Als ich loslaufe, lässt der Regen zwar nach, aber er hört nicht auf. Die Beschilderung ist schlecht heute und so muss ich ein Stück auf der Hauptstraße laufen, was nervt und gefährlich ist. Beim nächstbesten Waldweg verlasse ich die Straße und laufe auf gut Glück durch den Wald. Durch den Regen ist der Weg aufgeweicht und wieder schwierig zu befahren. Nach einiger Zeit kommt eine blaue Markierung und kurz danach komme ich am Dvorak-Schlösschen vorbei. Ich frage eine Frau nach dem weiteren Weg, doch sie will mich zur Straße schicken. Doch mit Hilfe meiner groben Wanderbeschreibung folge ich einem weiteren Weg und dieser führt mich durch bunten Mischwald bis Rozmital pod Trémsinem. Vor einem Norma-Markt nutze ich die Gelegenheit Zelt und Folie an einem Geländer zu trocknen und ernte dafür nicht nur verständnisvolle Blicke. Beim Stadion im Ort gibt es einen größeren Teich und auf einer Sitzbank koche ich mir mein Mittagessen. Nur der auffrischende Wind stört ein wenig dabei. Es lohnt sich einige Zeit in dieser Kleinstadt zu verbringen. Ein schöner Stadtplatz, die Kirche des hl. Johannes von Nepomuk und das teilrestaurierte Schloss sowie ein freundliches Touristenbüro stechen hervor. Im Touristenbüro lasse ich meinen Wanderwagen stehen und erkunde zu Fuß den Ort, der an einem See liegt. Nach einem längeren Aufenthalt in der Stadt laufe ich wieder los. Der Weg führt entlang einer Straße, die später zum Forstweg wird. Und beständig bergauf führt. So erreiche ich sogar noch an diesem Abend den Berg Tremsin (827 m). Die letzten Meter über viel Steine, Geröll und Wurzelwerk. Doch am Ende werde ich belohnt. Ein einmaliger Rundblick und tolle Fernsicht. Und es kommt noch besser: direkt am Gipfel steht eine winzige Kapelle. Ein idealer Schlafplatz – überdacht – genau ausreichend zum Hinlegen auf die Isomatte. So habe ich heute den Zeltaufbau gespart. Als ich vor der Kapelle dabei bin, noch etwas zu essen, kommen zwei Wanderer, bepackt mit Zelt und Schlafsack vorbei. Einige hundert Meter weiter im Wald sehe ich später ihr Zelt und ihre Lagerstätte.

5. Tag

 

Trémsin – Stary Smolinec – Metly – Ujezd – Kasejovice – Zivotice – Mohelnice 24 km

Gegen 6.30 in der Frühe verlasse ich nach dem Frühstück die kleine Kapelle und der Weg ist voller Steine, kleiner Felsbrocken oder es sind  hohe Wurzeln oder eine Kombination von allem. Später morastige Stellen und ein enger und unebener Weg. Einmal muss ich den Wagen sogar ein kurzes Stück tragen. Irgendwann ist es dann doch geschafft und ich erreiche Starý Smolivec. Zum Glück gibt es hier einen Laden, wo ich etwas zum Essen kaufen kann. An zwei großen Teichen vorbei führt ein Feldweg und dann eine Straße bis Ujezd, wo ich zwischen zwei schattigen Linden meine Mittagsrast mache und mir eine Suppe koche. Von einem älteren Mann in einem Haus bekomme ich eine Flasche Bier geschenkt und hole noch Wasser für unterwegs. Nach dieser Rast laufe ich in die Stadt Kasejovice, wo sich auch eine Jakobskirche befindet, die allerdings verschlossen ist. Hinter Kasejovice beginnt ein langer Anstieg entlang einer Wiese. Für die Kühe in einer Weide bin ich eine echte Attraktion. Auch die weitere Strecke ist mit Anstiegen versehen. Nach einer kurzen Pause mitten im Wald komme ich in den Ort Mohelnice und hier reicht es mir für heute. Ein Spielplatz in der Ortsmitte bietet sich als Zeltplatz an. Doch zuerst frage ich noch einige Leute. Einer ist mit dem Rad hier und spricht ein paar Brocken Deutsch. Nach einigem Hin- und Her nimmt er mich mit zu seinem Haus. Es liegt direkt an einem großen See mit tollem Blick auf den See (mit Seerosen) und den Wald. Ich darf im Gartenhaus übernachten – eine große Luftmatratze liegt sogar schon drin! Und auch der Wanderwagen passt noch in die Hütte. Obwohl es schon bald 20 Uhr ist, ist es noch sehr warm. Der Mann lässt mich im Haus sogar duschen und er koch später noch Nudeln für sich, seine Tochter und mich.

6.Tag

Mohelnice – Manov – Kramolin – Polánka – Lovcice – Kvasetice – Planice – 17 km mit Bus nach Klatovy und Zug bis Stankov

 Gegen 5.30 Uhr frühstücke ich bei mildem Licht auf der Terrasse des Hauses mit Blick auf den See. Herrlich! Dann setze ich mich wieder in Bewegung. Ich lasse das Städtchen Nepomuk links liegen und verliere kurz danach die Markierung. So muss ich viel auf Asphalt laufen. Und noch dazu ständig bergauf. Ohne die Wegweisung in einer App auf meinem Smartphone hätte ich jetzt noch größere Probleme. Was für ein Glück, dass ich es gestern aufladen konnte! Endlich erreiche ich Planice, wo ich im einzigen noch offenen Geschäft mir etwas Proviant kaufen kann. Von hier aus nehme ich dann den einzigen Bus, der heute (Samstag) nach Klatovy fährt. Wobei der Einstieg mit meinem Wagen nur mit viel Mühe und Hilfe des Busfahrers möglich ist. Von Klatovy aus fahre ich dann mit dem Zug weiter bis Domazlice. Hier holt mich Guiselle mit dem Auto ab und bringt mich und meinen Wanderwagen zurück nach Vevrov.

Fazit der Wanderung:

 Diese Wanderung mit dem Wander/Pilgerwagen (Ziehwagen) war kein Spaziergang. Den Wagen eine längere, steile Strecke hoch zu ziehen erfordert viel Kraft. Und steil bergab muss man sehr aufpassen, den Wagen unter Kontrolle zu halten. Ich hätte mir den Wagen vom Gewicht her etwas leichter gewünscht (Leergewicht: 11,8 kg). Auf der anderen Seite ist er aber sehr stabil und robust. Und auf ebener Strecke rollt er durch die beiden kugelgelagerten Fahrrad-Anhänger-Räder hervorragend.

Leider wird man oft -so meine Erfahrung bei dieser Wanderung – von anderen Menschen mit so einem Wagen als eine Art Obdachloser angesehen und dementsprechend behandelt, was an sich schon traurig genug ist. Dennoch ist ein derartiger Wagen für längere Strecken durchaus geeignet.

Was die Beschilderung des Weges angeht, so besteht noch erheblicher Handlungsbedarf zur Verbesserung. Eine einheitliche “Jakobsweg-Beschilderung” existiert nicht durchgängig und ohne eine Beschreibung oder Erläuterung der Wegstrecke sind die Verbindungswege nur schwer zu finden. Selbst Anwohner, durch deren Wohnort der “Jakobsweg” führt, kennen oftmals noch nicht einmal diese Bezeichnung. Da wäre einiges mehr an Öffentlichkeitsarbeit notwendig.

Hans Jürgen Stang

 

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