
31.05. – 14.07.2022
Am letzten Tag im Mai starte ich in Ciocotis (Maramures/Rumänien). Schon der erste Tag ist durch viele Steigungen geprägt. In Tureni übernachte ich in einer Pension, aber vorher unternehme ich noch einen Spaziergang zum Beginn der Schlucht „Cheile Tureni“. Über Aiud mit einem schönen Stadtzentrum erreiche ich Teius, wo ich für zwei Tage bei einem Rad- Dachgeber bleiben kann. Dieser ist aber selbst gar nicht zu Hause, doch seine Eltern kümmern sich um mich. Über Alba Iulia (gut erhaltene Altstadt, die von einer barocken Zitadelle umgeben ist), Sebes (früher: Mühlbach) und Sugag geht es auf ruhiger, leicht ansteigender Straße zum See von Oasa. Ich entscheide mich kurzfristig einen Abstecher zum 5 km entfernten Kloster Oasa zu machen und dort zu übernachten. Kaum bin ich dort, geht auch schon ein heftiger Gewitterschauer nieder. Am nächsten Tag führt die Fahrt richtig in die Berge, überall sind noch Schneereste zu sehen. Ich erreiche eine Höhe von über 2 000 Metern und kein Wunder, dass sich diese Strecke „Transalpina“ nennt. Vor dem Wintersportort Ranca kommt endlich eine lange, schnelle Abfahrt. Ich zelte heute neben einem verlassenen Gebäude.
Als ich am folgenden Morgen bei Dunst und Nebel losfahre, merke ich schon zu Beginn, dass mir der gestrige Tag noch in den Knochen steckt. In Targu Carbunesti mache ich eine Mittags- und Essenspause, bevor ich das noch feuchte Zelt auf dem Gelände einer Schule zum Trocknen aufhänge. Heute abend baue ich das Zelt direkt neben einer kleinen Kirche in einem Dorf auf. Ein Kuhhirte ist später meine Abendunterhaltung.
Die Nacht war unruhig wegen ständig bellender Hunde. Entlang kleiner Dörfer und einer abwechslungsreichen Landschaft fahre ich weiter bis Cruset, wo es dann immer flacher und eintöniger wird. 20 km vor der Stadt Craiova nimmt der Verkehr stark zu und ich bin froh, mich im Botanischen Garten der Stadt erst einmal eine Weile ausruhen zu können. Danach fahre ich ins Stadtzentrum, wo ich meinen Rad-Dachgeber für heute Nacht treffe. Von Craiova aus geht es in südlicher Richtung zum Ort Bechet an der Donau. Hier setze ich mit einer Fähre – die hauptsächlich Lkw ́s transportiert – zur anderen Seite der Donau nach Bulgarien über. Hier stehen kilometerweit entlang der Straße zum Fährhafen die Fernlaster. Ich bin froh mit dem Rad freie Fahrt zu haben.
Mizia in Bulgarien gefällt mir gleich und so baue ich das Zelt in einem großen Park etwas ausserhalb des Stadtzentrums auf. Auf ruhigen Straßen, gesäumt von unzähligen Wildblumen führt die weitere Fahrt bis Montana, wo ich mich gerade noch rechtzeitig unter einer Straßenbrücke vor einem Regenschauer retten kann. Da die Stadt selbst alles andere als schön ist, fahre ich zum Bahnhof und nehme einen Regionalzug bis zur Endstation in Berkoviste. Im Gang des Zuges habe ich alle Mühe, das Rad festzuhalten, so rumpelt der Zug auf den Gleisen hin- und her. Auch in Berkoviste muss ich mich kurz nach dem Aussteigen aus dem Zug vor einem erneuten Regenschauer unter einem Vordach schützen. So bleibt mir heute keine andere Wahl als in einem Hotel zu übernachten. Am nächsten Morgen sind die umliegenden Berge von Wolken verhüllt und es regnet. Ich beschließe trotzdem loszufahren. Und schon bald regnet es in Strömen, doch zum Glück ist es nicht kalt. Ich
brauche fast 4 Stunden bis zur Paßhöhe des Petrohan-Passes (1 444 m). Dort angekommen bin ich völlig durchnässt und kann kaum noch meine Finger bewegen. Dann folgt eine Abfahrt bis Gintsi, zum Glück ohne enge Serpentinen. In Gintsi muss ich erst einmal in einem kleinen Laden etwas essen. Da ich kein Gefühl mehr in den Fingern habe, muss mir der Ladenbesitzer den Schokoriegel aufreissen …
Bei dieser Gelegenheit erfahre ich, dass sich 3 km von hier ein Hotel befindet. Dort fahre ich hin, während das Wasser auf der Straße mir sintflutartig entgegen kommt. Das Hotelzimmer mitten in der Pampa neben mehreren Fischteichen ist riesig, so daß ich überall meine nassen Sachen zum Trocknen ausbreiten kann. Die ganze Nacht und auch noch als ich aufstehe regnet es. Ich frühstücke langsam auf dem Zimmer und entscheide mich dann weiter zu fahren. Bald geht es bergab und bei der nassen Straße ist das nicht ungefährlich. Gegen Mittag hört der Regen auf und die Sonne trocknet mich und meine Radkleidung langsam aber sicher. Ich erreiche Slivnitsa – eine ziemlich herunter gekommene Stadt mit unzähligen Schlaglöchern in den Straßen. Die nun folgende Strecke in Richtung Breznik hat es in sich. Viele Schotterpassagen und steile Anstiege, die mich zum Schieben zwingen. In Gurgulgat steht auf einem Hügel unübersehbar ein riesiges Pantheon, erbaut zur Erinnerung an den bulgarisch-serbischen Krieg von 1885. Und zu meiner Überraschung gibt es hier in der Nähe ein Hotel, dessen einziger Gast ich bin. Wieder zahlreiche Schotter- und Geröllpisten gibt es am nächsten Tag und sogar bergab muss ich schieben, da es zu steil und rutschig ist für mein voll beladenes Rad. In Breznik decke ich mich erst einmal mit Proviant ein. Auf der Fahrt von Radomir bis Drugan sind riesige, verrostete und verfallene Industrieanlagen zu sehen. In Vladimir führt mich die Fahrt durch winzige, nicht asphaltierte Straßen in und um den Ort herum. Überall lauern Hunde und ich komme mir vor wie auf der Flucht.
Dafür ist die Landschaft wunderschön. Entlang einer nun guten Straße geht es jetzt viel bergab. Kurz vor Dupnitsa erscheint das herrliche Panorama des Rila-Gebirges. In Dupnitsa bleibe ich zwei Nächte im gleichnamigen Rila- Hotel. Der „Ruhetag“ hier sieht so aus, daß ich mit einem Bus bis Sapareva Banya fahre und von hier aus zu Fuß bzw. per Anhalter bis zu einer Seilbahn gelangen möchte. Nachdem ich einige Zeit schon zu Fuß marschiert bin, hält unvermittelt ein Auto an und eine Frau nimmt mich mit hoch zur Seilbahn. Von hier aus geht es hoch zu den „Sieben Rila-Seen“ auf eine Höhe von über 2 100 Metern.
Die Bulgarin, die mehrere Jahre auch in Österreich gelebt und gearbeitet hat, kennt die Wanderwege und die Seen und so habe ich sogar eine kompetente Führerin. Da die Zeit nicht ausreicht um zu allen Seen zu wandern und außerdem dunkle Wolken aufziehen, können wir nicht zu allen Seen laufen. Doch die drei Seen, die ich in dieser herrlichen alpinen Region zu Gesicht bekommen, reichen aus. Nach der Rückkehr mit der Seilbahn fährt mich Vesela sogar noch zurück ins Hotel.
Hier erhalte ich einen Tipp eines Hotelangestellten und dadurch finde ich in der Stadt eine winzige, versteckte Werkstatt, in der ich neue Bremsbeläge für mein Rad montieren lassen kann. Das ist zwingend nötig, denn die nächsten Berge und Abfahrten sind nicht mehr weit. Auf einer alten Hauptstraße parallel zur Autobahn mit sehr wenig Verkehr führt die Fahrt bis kurz vor Blagoevgrad. Dann folgt ein Zickzackkurs und ich muss ständig aufpassen, daß ich mich nicht verfahre. Viele Steigungen zwingen mich oft, das Rad zu schieben. Das letzte Stück vor der Grenze zu (Nord-) Mazedonien scheint endlos.
Nach dem Grenzübertritt erfolgt eine lange Abfahrt mit der ich gar nicht gerechnet habe. Kurz vorher hat es hier geregnet und ich muss höllisch aufpassen, daß ich bei der Abfahrt nicht ins Rutschen komme. In Delchevo, dem ersten Ort in Mazedonien ruhe ich mich eine Weile aus und stärke mich für die Weiterfahrt. Nach einer weiteren Zeltübernachtung auf einer frisch gemähten Rasenfläche neben einem Wohnhaus ist am nächsten Tag wieder eine Bergetappe angesagt. Aber das soll in der nächsten Zeit fast der Normalfall sein. Zwei Pässe (über 1 100 m) muss ich überwinden, bevor die nachfolgende Abfahrt kommt. Ein wahrer Höllenritt – immer wieder Löcher im Asphalt, Unebenheiten und Sand, da muss ich volle und höchste Konzentration aufbringen. Nach der Ruhe in den Bergen und der Abfahrt folgt ein Alptraum bei der Fahrt in das Zentrum von Strumica. Lauter und endloser Verkehr! Ich passiere ein Viertel in der Stadt mit vielen Moscheen – der Orient lässt grüssen. Ich bin froh, als ich die laute Stadt endlich verlasse und im nächsten Dorf kann ich nach mehreren Ablehnungen bei einem älteren Mann sogar im Haus auf einer Bettcouch schlafen. Er lebt allein und ist offensichtlich froh mal wieder etwas Gesellschaft zu haben, auch wenn wir uns nicht wirklich unterhalten können. Meine Dusche an diesem Abend erfolgt draussen durch Abspritzen mit dem Gartenschlauch. Sehr erfrischend!
Am nächsten Morgen geht der Mann mit mir zu einem Laden, wo ich einige Dinge zum Essen kaufe. Er möchte auch bezahlen, was ich aber ablehne. Ich folge heute – mehr oder weniger zufällig dem Iron Curtain Trail und das bedeutet viele Steigungen, aber auch einsame Strecken ohne Autoverkehr. Ich durchquere zwei unbeleuchtete Tunnels und blicke hinunter in eine Schlucht. Eine fantastische Landschaft hier!
In Demir Kapija esse ich zu Mittag. Die zunehmende Hitze lähmt den Tatendrang. So erreiche ich Bitola erst am späten Abend und es dauert heute auch länger bis ich einen passenden Zeltplatz gefunden habe: ein Fußballstadion. Zum Glück verschwinden zwei streunende Hunde nach einiger Zeit wieder. Auf dem Weg nach Ohrid mit dem gleichnamigen See muss ich eine Paßhöhe von 1 164 Metern überwinden. Dafür werde ich mit einer spektakulären Abfahrt belohnt. In der Stadt Ohrid übernachte ich in einem Hostel und lege am nächsten Tag einen Rad-Ruhetag ein. Dafür besichtige ich die Stadt mit der Zitadelle, von der man von den Türmen und Mauern einen Rundblick über Stadt und See hat.
Entlang des Seeufers und über Struga und Kalishta führt die Fahrt dann weiter bis zur Grenze nach Albanien. Danach kommt eine lange Abfahrt mit unzähligen Serpentinen, die den Atem stocken lässt. Kaum bin ich in Albanien, bekomme ich an einem Obststand ein großes Stück Melone umsonst und der deutsch sprechende Inhaber des benachbarten Imbißstandes lädt mich zu einem Hamburger und einer Cola ein.
Entlang eines Flusses mit mächtigen Bergen im Hintergrund geht es über Librazhd zum winzigen Dorf Xibrake. Hier darf ich mein Zelt vor dem Eingang zu einem Haus aufstellen und auch das Bad im Haus benutzen. Abends kommen noch einige Freunde um den verrückten Radler aus Deutschland in Augenschein zu nehmen. Spät am Abend gibt es noch hausgemachte Küche mit Ziegenkäse, Salat, Kartoffeln und frischer Ziegenmilch. Sehr gut!
Es ist schon sehr warm, als ich früh am nächsten Morgen Abschied von der Familie nehme und auf kleinen Straßen entlang von Obstplantagen und Weinfeldern weiter fahre. In Berat gehe ich in ein Hotel und am späten Abend, nachdem sich die Hitze etwas gelegt hat, besichtige ich die Burg nach einem schweisstreibenden Aufstieg. Berat wird auch Stadt der tausend Fenster genannt und ist von osmanischer Architektur geprägt. Die Stadt ist seit 2008 UNESCO-Welterbe.
Die Burgfestung (Kalaja) ist das Wahrzeichen der Stadt und bietet einen tollen Ausblick in alle Richtungen. Eine Vielzahl von Menschen sind hier und vor allem unten in der Stadt und am Flussufer unterwegs. Die heutige Strecke führt mich an der Osumi Schlucht entlang und bietet immer wieder beeindruckende Panoramen. Schweissgebadet entdecke ich dann doch noch eine Badestelle am Fluss und die Erfrischung tut richtig gut. Kurz danach hört die Asphaltstraße auf und es wird abenteuerlich. Nur mit größter Mühe gelingt es mir zwei Wachhunde einer Schafherde von der Harmlosigkeit meiner Fahrt zu überzeugen.
Hinweisschilder gibt es auch hier in Albanien so gut wie keine, so daß das Finden der richtigen Abzweigung vor allem auf Nebenstrecken nicht einfach ist. Mehrere Jeeps mit Expeditionsausrüstung aus Polen und Ungarn überholen mich auf der ansteigenden Schotterpiste mit viel Geröll und hüllen mich in Staub ein. An richtiges Fahren mit dem Rad ist da nicht zu denken. Wenige Meter oberhalb des Flusses fällt mir eine passende Stelle für das Zelt auf und so habe ich einen tollen Platz mit Blick auf den Fluss für die Nacht.
Die abendliche Dusche ist heute ein Bad im Fluss unter einem kleinen Wasserfall. Einfach herrlich! Ich geniesse die Stille und Einsamkeit beim Abendessen vor dem Zelt.
Am nächsten Tag geht es den ganzen Vormittag bergauf. Schieben, nichts als Schieben in herrlicher Kulisse. Dann erscheint wie aus dem Nichts ein kleines Freiluftlokal direkt am Weg. Hier gibt es Joghurt und Pfannkuchen als Belohnung für den anstrengenden Aufstieg. Damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet. Erst viel später geht es bergab, aber selbst hier muss ich noch lange das Rad schieben, da die Abfahrt voller Geröll und Sand ist.
Am Nachmittag komme ich auf die geteerte Hauptstraße und entlang eines schönen Flusstales geht es in Richtung Gjirokaster. Und mitten auf der Landstraße werde ich schon wieder von zwei Hunden verfolgt!
Das historische Zentrum der Stadt Gjirokaster zählt seit 2005 zum UNESCO- Welterbe und ist kulturelles Zentrum Albaniens.
Am frühen Morgen mache ich einen Rundgang durch die Altstadtgassen und hoch zur Burg. Danach packe ich zusammen und fahre weiter. Ich bin nicht weit von der griechischen Grenze entfernt und in den Cafés sind viele griechisch sprechende Leute. Nach einem etwa einstündigen Aufstieg folgt eine Abfahrt mit sehr engen Kurven bis zum „Blue Eye Sea“ oder Syrie e Kalter, einer Karstquelle. Vor dem Hintergrund des hellen Kalksteins hat das Wasser im Sonnenlicht eine tiefblaue Farbe, die ihr auch den Namen verleiht.
Die Strecke nach Saranda ist durch kurze, aber kräftige Steigungen und viel Verkehr geprägt. Die Küste hier ist völlig zugebaut und die Orientierung in der Stadt fällt mir erst einmal nicht leicht. Schließlich finde ich doch die Zimmervermietung, die ich gesucht habe. Zum Glück mit Aircondition (obwohl ich das eigentlich nicht mag), sonst wäre es im Zimmer kaum auszuhalten. Nicht weit von hier befindet sich der Hafen und ein Strand sowie die Strandpromenade – der Blick auf die vorgelagerte griechische Insel Korfu – eingeschlossen. Da ich in einem Badeort bin und es annähernd 40 Grad heiß ist, ist natürlich am nächsten Tag Baden im Meer angesagt.
Mit einem Bus fahre ich nach Ksamil, wo ich an einem Strand mit glasklarem Wasser meinen strapazierten Beinen etwas Erholung verschaffe. Am folgenden Tag das gleiche Spiel, nur diesmal an einem anderen Strand.
Die Weiterfahrt erfolgt nun entlang der „Albanischen Riviera“ über Borsh, Queparo, Porto Palermo, Hilmare bis Vuno (Vunio). Bei all der Anstrengung auf der Fahrt entlang dieser Küstenstraße, darf natürlich unterwegs ein Bad im Meer nicht fehlen. Auf der Strecke treffe ich auch zwei andere Radler, die auf dem Weg nach Istanbul sind. Das Dorf Vuno hat eine wunderschöne Lage am Hang. Zum Zelten allerdings ist das denkbar schlecht. Auf Nachfrage schickt mich ein Mann zu einer ehemaligen Schule – inzwischen eine Art „Backpacker-Hostel“. Hier bin ich heute der einzige Gast und kann für etwa 9 € übernachten. Nach Vuno folgt ein langer Anstieg mit scheinbar nie endenden Kurven bis zur Paßhöhe. Dann wieder einmal eine haarsträubende Abfahrt mit Haarnadelkurven. Und zum Abschluss noch eine Fahrt auf einer neuen bzw. halbfertigen Straße mit viel Dreck und Staub. In Orikum befreie ich mich vom Staub durch ein Bad im Meer. Vloré besticht durch einen langen Radweg (!) fast bis ins Zentrum der Stadt. Im winzigen Dorf Panaje frage ich einen Mann, der gerade einen Garten bewässert, ob ich dort übernachten kann und zu meinem Erstaunen führt er mich in eine nicht mehr in Betrieb befindliche ehemalige Bar. Hier kann ich mit der Isomatte auf dem Boden übernachten. Er gibt mir noch den Schlüssel, den ich am nächsten Tag gegenüber beim Bäcker abgeben soll. Heute nacht schlafe ich auf meiner Isomatte aber in einem offenen Treppenhaus neben der Bar, da es in der ehemaligen Bar selbst vor Hitze kaum auszuhalten ist. Die Kinder vom Bäcker gegenüber machen noch einen Spaziergang mit mir durch das Dorf, das fast nur noch von alten Leuten bewohnt wird. Frische Feigen, Aprikosen und Mirabellen versüssen mir diesen Rundgang.
Bei der Weiterfahrt sehe ich noch einige Male das Meer (und in Mali i Robit kann ich ein letztes Bad im Meer nehmen), dann geht es ins Landesinnere und bei Fier nimmt der Verkehr deutlich zu. Über Kavaje erreiche ich die Ausläufer der Großstadt Durres. Ich umfahre die Stadt weitgehend und komme durch unzählige Neubaugebiete noch ohne asphaltierte Straßen. Bei Kochas frage ich einen Mann vor seinem Haus, ob ich auf der Terrasse eine Pause machen und etwas essen kann. Er nimmt mich mit ins Haus und hier kann ich mir einen frischen Tomatensalat mit seinem selbstgemachten Olivenöl anrichten. Auch sein Birnensirup schmeckt hervorragend. Zum Abschied schenkt mir der Mann, der aus Bosnien stammt, noch ein Hemd! Auf dem Weg nach Shkoder kann ich mein Zelt wieder auf dem Grundstück einer Familie aufschlagen, die Dusche benutzen und ich werde reichlich mit Essen versorgt.
In Shkoder bleibe ich zwei Nächte. Auf einem Hügel steil über den Flüssen Buna und Drin liegt die imposante Burgruine Rozafa. Außerdem befindet sich in der Stadt die älteste Moschee Albaniens.
Früh am Morgen verlasse ich die Stadt und fahre entlang einer fast ebenen Strecke am See entlang bis hinter Koplik. Ab Hot (sehr treffender Name, denn heute sticht die Sonne noch erbarmungsloser als die Tage vorher) geht es nur noch bergauf. Und das steigert sich noch bis kurz vor Tamare. Dafür ein grandioses Bergpanorama und eine Abfahrt mit einem Wahnsinnstempo.
In Tamare stärke ich mich erst einmal und unter einem kleinen Wasserfall am Fluss kühle ich mich ab. In Selce, einem kleinen Dorf neben einer Schlucht frage ich wieder an einem Haus und auch hier darf ich das Zelt direkt vor der Terrasse aufbauen. Nicht nur, daß ich im Haus wieder duschen kann und später ein sehr reichhaltiges Abendessen erhalte, auch meine verschwitzten Kleider werden noch gewaschen. Die Terrasse ist durch viele Weintrauben „überdacht“ und hier in dieser Höhenlage sind die Temperaturen deutlich kühler als noch gestern in der Stadt.
Das Dorf später zu verlassen und wieder auf die asphaltierte Straße zu kommen ist gar nicht so einfach. Es geht steil nach oben und ich rutsche oft auf dem losen Sandboden weg. Durch eine bezaubernde Landschaft führt die Fahrt weiter bis zur Grenze nach Montenegro. In Gusinje mache ich erst einmal eine längere Mittagspause und wechsle Geld um, bevor ich weiter fahre. Dabei muss ich leider feststellen, daß ein Riemen meiner Fahrsandalen gerissen ist und so muss ich auf meine weniger guten Ersatzsandalen zurückgreifen. Einen Tag später habe ich dann das Glück in der Stadt Berane mir ein Paar neue Sandalen kaufen zu können. Die weitere Strecke beginnt harmlos, doch dann wird sie zur Herausforderung mit mehreren Tunnels. In der Millenium-Bar in Rozaje bekomme ich nach langem Suchen ein Zimmer. Felslandschaften, Schluchten und Tunnels prägen auch den nächsten Tag. Und immer wieder schöne Ausblicke in die Landschaft, später etwas getrübt durch eine lange Schotter- und Sandpiste, die sich bis zur Grenze nach Serbien fortsetzt. Genauso wie die Steigungen…
Unterwegs verfehle ich (hier in Serbien gibt es nach meinem Eindruck noch weniger Hinweisschilder als in den Ländern zuvor) eine wichtige Abzweigung und so muss ich die Route ändern und über Novi Pazar fahren. Und hier in der Stadt entgehe ich knapp einem Unfall, als mich ein Mercedes schneidet und abdrängt. Zum Glück kann ich dann später auf einer alten Straße ohne viel Verkehr bis Raska fahren, aber danach komme ich wieder auf eine verkehrsreiche Straße. In Usce sollte es eigentlich ein Übernachtungsmöglichkeit geben, hat man mir gesagt, doch dort will niemand davon etwas wissen. Vor einer Paßhöhe, die ich heute auf keinen Fall mehr schaffe, brauche ich aber einen Schlafplatz. Zelten ist hier schwierig und so habe ich Glück noch ein Lokal mit Zimmervermietung zu finden. Zwar ziemlich heruntergekommen, aber eine Wahl habe ich heute keine. Früh morgens fahre ich los und beständig steigend geht es entlang eines Flusslaufes. Die Strecke zieht sich wie Kaugummi und der Verkehr stört erheblich. Nach 32 km kann ich endlich diese Straße verlassen. Dafür muss ich dann aber eine recht steile Schotterpiste in Kauf nehmen. Die Dörfer, die nun folgen, haben alle schon bessere Zeiten erlebt. In Toponica frage ich in einem Lebensmittelladen, ob es hier im Ort eine Zimmervermietung gibt. Eine halbe Stunde später bin ich in einem Zimmer eines Privathauses.
Die Strecken in den letzten Tagen waren alles andere als einfach und so lege ich noch einen Ruhetag hier ein. Auf Nebenstraßen geht es über Grivac, Dobraca, Natalinci bis Smederevska Palanka. Ab hier dann wieder mehr Verkehr und die Einfahrt nach Smederevo macht wegen des Gegenwindes und des starken Verkehrs nicht unbedingt Spaß. Nach 97 km erreiche ich die Stadt, wo ich zum ersten Mal auf dieser Tour echte Probleme habe, einen Platz für die Nacht zu finden. Schließlich lande ich für 20 € in einem winzigen Zimmer eines Hostels. Das Rad muss ich auch noch mehrere Meter eine steile Treppe hinunter in den Keller tragen. Für einen Spaziergang in der Stadt bin ich zu müde, außerdem fängt es auch noch an zu regnen. Am nächsten Morgen fahre ich am „Donaupark“ und an der mittelalterlichen Festung aus dem 15. Jahrhundert vorbei nach Kovin. Danach folgen winzige Straßen durch Feld und Flur bis Susara durch ein Naturschutzgebiet. Die Straße kommt mir wieder einmal endlos vor. Hinter Vrsac überquere ich die Grenze nach Rumänien und in der ersten Ortschaft in Rumänien, dem Dorf Moravita darf ich das Zelt neben einem Haus und neben einem Storchennest aufschlagen. Und auch hier kann ich im Haus duschen. Für die Kinder des Dorfes bin ich heute die Attraktion. Die 64 km von Moravita bis Timisoara sind anstrengend, vor allem weil der Verkehr vor Timisoara extrem zunimmt. Die Fahrt durch die Stadt erfordert höchste Konzentration – beinahe streift mich ein Linienbus. In der Stadt selbst unternehme ich einen kurzen Stadtbummel und esse zu Mittag, bevor ich zum Bahnhof fahre. Von hier aus geht es heute per Zug bis Oradea. Es gibt ein Radabteil (Wagen der deutschen Bundesbahn) und wie erwartet bin ich dort der einzige mit einem Rad. Nach 3 1⁄2 Stunden komme ich in Oradea an und habe dadurch zwei Tage Radfahren gespart. Nachdem ich ein Hotel gefunden und geduscht habe, unternehme ich am frühen Abend noch einen Spaziergang durch die Stadt, die am östlichen Rand der großen ungarischen Tiefebene liegt. Die Stadt besitzt viele Kirchenbauten und Bauten noch aus der ungarischen Zeit.
Oradea verlasse ich auf Schotterstraßen, noch dazu ansteigend. Dafür ein weiter Blick über die ungarische Tiefebene. Dann geht es wieder auf Asphaltstraßen bis Tasnad. Im dortigen Thermalbad mache ich eine Pause. Aber lange bleibe ich nicht, das Wasser ist sehr warm und auch draussen ist es heiß. In Supura de Jos, das ich nach 96 km erreiche darf ich wieder das Zelt in einem Vorgarten aufstellen. Ein Abendessen mit hausgemachtem Schnaps gibt es noch gratis dazu.
Auch heute, am letzten Tag meiner Radtour, stehen wieder exakt 96 km auf meinem Tacho. Über Hurezu Mare, Bicaz, Ulmeni fahre ich bis Somcuta Mare, wo sich der Fernverkehr durch die Stadt drängt. Deshalb nehme ich erneut einige Steigungen in Kauf um auf ruhigeren Straßen über Berchez, Coas, Copalnic, Cernesti nach Ciocotis zu kommen.
Eine anstrengende, aber interessante und abwechslungsreiche Tour durch die Balkanstaaten geht zu Ende. Insgesamt habe ich in 1 1⁄2 Monaten 2 717 Kilometer ohne eine einzige Panne zurück gelegt.
Hans Jürgen Stang
08.08.2022