Eine Radreise durch 10 Länder im Osten Europas
29.08 – 29.10.2018
Ende August beginne ich meine Radreise in Richtung Osten. Und als erstes muss ich Tschechien und die Slowakei durchqueren. Schon die ersten Tage gehen richtig in die Beine – ständig geht es auf und ab. In Jihlava erwischt mich der Regen, es wird aber der einzigste Regentag in den nächsten zwei Wochen sein. Dafür habe ich das Glück bei einer Rad-Dachgeberin zu übernachten; den Wohnblock finde ich aber erst nach langem Suchen und Telefonieren. Eine weitere Nacht verbringe ich allein im Haus einer Radlerin, die abwesend ist. Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass mir großes Vertrauen entgegen gebracht wird. Und das erlebe ich immer wieder auf meinen Radreisen. In Piestany (Slowakei) kann ich ebenfalls bei einem Rad-Dachgeber übernachten. Hier darf ich sogar noch einen Ruhetag verbringen, der auf jeden Fall nötig ist nach den Anstrengungen der ersten Tage. Beim Besuch des dortigen Schwimmbades mit Thermalbecken lerne ich eine russische Familie aus Samara kennen, die mich spontan zu ihrem Picknick mit einladen. Der mitgebrachte Wodka in einer Plastikflasche darf dabei nicht fehlen.
Auf einer Parkbank neben einem Café sitzend, werde ich in Lucenec von zwei Frauen (Mutter und Tochter) angesprochen und in ein Gespräch verwickelt, das damit endet, dass mir die beiden Frauen eine kostenfreie Übernachtung in einem ganz besonderen Haus vermitteln. Es ist ein Haus im Stil von Salvador Dali und dort wohnen in mehreren Wohnungen hilfsbedürftige Zigeuner. Für eine Nacht gehöre auch ich dazu. Kaum bin ich dort, wird eine Suppe für mich gekocht und weiteres Essen. Nach dieser ebenso eindrucksvollen wie nachdenklichen Begegnung fahre ich am nächsten Morgen wieder weiter. Rechtzeitig vor der Einreise in die Ukraine erfahre ich noch von einem Grenzübergang nur für Radfahrer und Fußgänger, so dass ich diese Richtung einschlagen kann.
Bei Velké Slemence passiere ich problemlos die Grenze zur Ukraine. Etwa 20 km vor der Stadt Mukatschewo beginnt meine Übernachtungssuche in einer Kleinstadt. Zunächst ohne Erfolg, doch dann führt mich ein älterer, einheimischer Mann mit dem Rad zum letzten Haus in der Stadt neben einem dazugehörigen Park gelegen. Hier könnte ich übernachten, sagt er zu mir. Als ich das Haus betrete, bin ich umringt von zahlreichen Kindern, die entweder körperlich und/oder geistig behindert sind. In Radlershorts und Radtrikot komme ich mir etwas deplaziert vor, doch meine Frage nach einer Übernachtung hier wird zu meiner Überraschung positiv beantwortet. Noch ehe ich das richtig begreife, führt man mich in den Speisesaal, wo ich mit den Kindern zusammen zu Abend esse. Bei meinem Hunger heute trifft es sich hervorragend, dass eine große Schüssel mit Nudeln noch übrig geblieben ist. Auch beim Nachtisch (Kuchen) werde ich gut versorgt. Danach führt mich ein Kind ein Stockwerk höher und gibt mir den Schlüssel für ein Doppelzimmer mit Dusche. Und als wäre das noch nicht genug, gibt es sogar noch WiFi dazu. Am nächsten Morgen bekomme ich wie selbstverständlich noch Frühstück und die Art und Weise wie unproblematisch das alles abläuft, lässt mich heute noch staunen.
Vor Mukatschewo wird der Straßenbelag immer schlechter und erreicht mit Kopfsteinpflaster in der Ortseinfahrt seinen Höhepunkt. So dauert die Fahrt ins Zentrum viel länger als erwartet. Nach einer kurzen Stadtbesichtigung und Stärkung geht es auf einer Europastrasse mit entsprechend starkem Verkehr weiter. Ich befinde mich bereits in den Karpaten. In Wolowetz frage ich an einem Haus ob ich dort übernachten kann und ich bekomme einen Lagerraum mit einem Holzbett zugewiesen. Sogar eine Dusche gibt es nebenan – leider nur kaltes Wasser, aber da muss ich jetzt durch. Der nächste Tag bringt mich dann richtig in die “Berge”. Schieben ist öfters angesagt. Dafür schöne Dörfer mit alten Häusern im typischen Stil der Karpaten, aber auch sehr viele Neubauten. Die Straße wird immer schlechter, ich komme kaum noch vorwärts. Doch es kommt noch heftiger: ein Pass in etwa 1 000 m Höhe – selbst “Google” kennt ihn nicht. Und die anschließende Abfahrt ist wegen unzähliger Schlaglöcher mehr eine Brems-, als eine Abfahrt. Was mir in den Karpaten auffällt ist, dass viel Wald gerodet wurde. In Iwano-Frankiwsk will ich bei einem Radler übernachten, dieser meldet sich aber nicht mehr und so mache ich in dem Ort Kalusch eine längere Pause. Außerdem überbrücke ich damit einen Gewitterregen. In einem Handyladen habe ich Zeit zum Erzählen von meiner Reise. Den beiden Verkäuferinnen im Laden scheint das zu gefallen. Als ich erwähne, dass ich noch gar nicht weiß, wo ich heute Nacht schlafen kann, greift Olya, so heißt eine der beiden Frauen, zum Handy und führt mehrere Telefonate. Nach einigen Minuten kommt ein Mann in den Laden und Olya erklärt mir, dass dieser Mann mich zu einem Hotel bringt, wo ich ohne Kosten übernachten kann. Zuerst will ich es gar nicht glauben, doch es ist wirklich so. Der Mann ist mit dem Rad gekommen (inzwischen hat es aufgehört zu regnen) und führt mich durch die halbe Stadt etwas außerhalb zu einem Hotel, wo ich ein Doppelzimmer nehmen darf. Meine schmutzige Wäsche kann ich abgeben und waschen lassen.
Am nächsten Tag führt mich Viktor, so heißt der Radler, durch den Ort und in einem besonderen Lokal, noch im altrussischen Stil werde ich zum Essen eingeladen. Anschließend noch zu einer Bierverköstigung in einer Privatbrauerei und zu einem Museumsbesuch. Wieder ein Beispiel für ukrainische Gastfreundschaft! Am nächsten Tag heißt es leider Abschied nehmen und die weitere Strecke ist mehr als schlecht, voller Löcher, uneben und ausgewaschen. Beschilderung ist keine vorhanden. Schon lange vor Kolomiya ist die Landschaft zersiedelt und mit Neubauten und Rohbauten übersät. Eine alte Frau am Straßenrand verkauft Himbeeren und diese Gelegenheit kann ich mir nicht entgehen lassen. In Kolomiya übernachte ich heute wieder bei einem Rad-Dachgeber. Ihn zu finden kostet mich aber über eine Stunde. Dafür bekomme ich dann ein riesiges Zimmer in einem neuen Haus und mehr als genug zu essen.
Fast sommerliche Temperaturen begleiten mich heute auf dem Weg nach Czernowitz in der Westukraine. Bei einer Rast vor einer Kirche bringt mir ein Mann eine Tasse Wasser. Das mag eine Kleinigkeit sein, aber es kommt von Herzen und gerade wenn man allein unterwegs ist, weiß man solche “Kleinigkeiten” besonders zu schätzen. Nach über 70 km erreiche ich Czernowitz – die Einfahrt in die Stadt ist ein Alptraum: Kopfsteinpflaster, Schlaglöcher, Autos ohne Ende. Ich laufe mehr auf dem Bürgersteig (nicht zu vergleichen mit unseren), als dass ich fahren kann. Dabei ist die Stadt mit ihrer Universität, der ehemaligen Residenz des orthodoxen Metropoliten der Bukowina, zahlreichen Kirchen und Plätzen, sehr sehenswert. Der jüdische Friedhof mit über 5 000 Gräbern gehört zu den größten erhalten gebliebenen Friedhöfen in Mittel- und Osteuropa.
Über mein Smartphone erreiche ich Anatoli, der mich dann zu seiner Wohnung führt. Hier bleibe ich zwei Nächte allein in der Wohnung. Er gibt mir einfach den Schlüssel und geht dann wieder weg zu einer anderen Wohnung…
Bei nach wie vor bestem Wetter erreiche ich Moldawien. Sofort fällt mir auf, dass hier deutlich weniger Verkehr als in der Ukraine ist. Die erste Nacht in Moldawien verbringe ich im Zelt neben einem Lokal, wo ich von der Wirtin kostenlos Essen und Trinken bekomme. Bei der anschließenden Runde mit Bier und Wodka erfahre ich sehr viel über die Zustände und Probleme des Landes. Auch in Moldawien ist eine Beschilderung spärlich oder gar nicht vorhanden. Das Land ist noch ein Agrarland. Viele Äcker mit Mais, Sonnenblumen, Kartoffeln und Alleen voller Nussbäume entlang der Straßen. Wie lange noch?
Nach einigen Irrwegen und einer üblen Schotterpiste wird es heute spät als ich in einem Dorf um Übernachtung nachfrage. Beim zweiten Haus nimmt mich ein junger Mann mit ins Haus und ich bekomme sogar ein eigenes Zimmer mit Bett. Heute ist der Tag der Heiligen Maria und so hat man viel gekocht – das Abendessen wird zum Festmahl.
Soroca liegt schön an einem Fluss und hat eine beeindruckende Zitadelle. Nach zwei weiteren Tagen fahre ich in Richtung der Hauptstadt Chisinau. Vorher besichtige ich noch Orheil Vecchi (“Alt-Orhei”). Das ist ein archäologischer Fundort, ein historisches Siedlungsgebiet sowie ein kulturelles und landschaftliches Schutzgebiet im Zentrum der Republik Moldawien. Die Gegend ist seit der Steinzeit besiedelt und stellt mit der Kombination aus spätmittelalterlichen Ausgrabungen und einem Ende des 17. Jahrhunderts gegründeten orthodoxen Höhlenklosters und der besonderen Landschaft im Flusstal des Raut die bekannteste Sehenswürdigkeit des Landes dar.
Etwa 40 km vor der Hauptstadt Chisinau fängt es an zu regnen, je mehr ich mich der Stadt nähere, desto stärker wird der Regen. Als ich die Außenbezirke der Stadt erreiche bin ich bereits klatschnass und kann meine Finger kaum noch bewegen. Meinen heutigen Rad-Dachgeber zu finden ist unter diesen Umständen kaum möglich und so gehe ich etwas frustriert in ein Sportgeschäft und frage dort, ob sie mir helfen können. Ich kann das Rad in einem Lagerraum stehen lassen und ein Mitarbeiter bringt mich später mit dem Auto zu meinem Rad-Dachgeber! Und am nächsten Tag kann ich bei einem anderen Mitarbeiter zu Hause in seiner Wohnung schlafen. Einmal mehr bin ich überwältigt von der Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft in Moldawien. Nach dem Ruhetag in Chisinau geht es weiter bei sonnigem Wetter in Richtung Südwesten.
In Hincesti will ich gerade einen Park oder etwas ähnliches für eine Mittagspause suchen, als vor mir ein Auto anhält. Ich bremse ab und noch ehe ich mich versehe, fährt das Auto plötzlich rückwärts und mir mit dem Heck direkt ins Vorderrad. Ich stürze mitsamt dem Rad. Gott sei Dank ziehe ich mir nur leichte Schürfwunden und Prellungen, die in einer Apotheke versorgt werden können, zu. Das Vorderrad klemmt und dreht sich nicht mehr. Zum Glück kennt die Frau des Autofahrers jemanden, der mir anschließend das Rad wieder soweit herrichtet, dass ich später weiterfahren kann. Nach diesem Schock brauche ich erst einmal eine längere Pause. Nach einiger Zeit kann ich den Weg fortsetzen. Die Gegend ist umgeben von vielen Weinbergen; Frauen die Weintrauben am Straßenrand verkaufen, stopfen mir die Taschen damit voll… Nur mit viel Mühe finde ich heute einen Übernachtungsplatz. Was für ein Tag!
Inzwischen habe ich die Grenze zu Rumänien bei Galati passiert. Und sofort herrscht wieder mehr Verkehr und das Recht des Stärkeren. Die Strecke bis Buzau fordert höchste Konzentration und die Fahrt durch das dortige Industriegebiet setzt dem Ganzen noch die Krone auf. Aber dank einer Radlerinfo befindet sich dort ein Fahrradgeschäft und endlich kann ich dort das Vorderrad fachmännisch reparieren und neu zentrieren lassen. Außerdem sind auch neue Bremsbeläge fällig. Bald kann ich wieder eine Nebenstraße nutzen und erstaunlich was das für Auswirkungen hat. Zuerst bekomme ich von einem Obstbauern so viel Äpfel geschenkt, dass ich meine linke Radtasche kaum noch schließen kann. Bei einer Pause auf einer Holzbank vor einem Haus bringt mir eine Frau Weintrauben aus ihrem Garten und drei riesige Scheiben selbst hergestellten Schafskäse und ein großes Brot. Meine Radtaschen platzen jetzt aus allen Nähten.
In Apostolache folge ich einem Hinweisschild zu einem ehemaligen Kloster. Nebenbei erfahre ich dort, dass man hier auch übernachten kann. Also nutze ich diese Gelegenheit. Am Abend bin ich der Einzige auf dem gesamten Gelände. In einer windgeschützten Ecke koche ich mir etwas auf dem Kocher und lasse den Tag bei sternklarem Himmel ausklingen.
In einem Dorf verfolgen mich zwei Hunde und einer beißt sogar in meine Radtasche….
Zum Glück kann ich entkommen und im nächsten Dorf finde ich bei einer Zigeunerfamilie Zuflucht. Trotz beengten Wohnverhältnissen nehmen sie mich auf. Da ich heute Magenprobleme habe, kocht mir die Frau einen Grießbrei. Genau das Richtige zum Fencheltee, den ich immer für solche Fälle dabei habe. Man kümmert sich rührend um mich – als wäre ich das eigene Kind. Am nächsten Tag ist mir klar, dass ich einen Ruhetag benötige und so nehme ich mir nach nur 12 km mit dem Rad ein Hotelzimmer in Targoviste. Die Stadt ist Kreishauptstadt des Kreises Dambovita und war bis weit ins 17. Jahrhundert die Hauptstadt des ehemaligen Fürstentums Walachei, aus dem sich später das heutige Rumänien entwickelte. Die Ruinen des alten Fürstenpalastes sind heute noch zu besichtigen (Complexul Curtea Domneasca). In der Stadt wurde übrigens der gestürzte Diktator Ceausescu und seine Frau hingerichtet.
Jetzt geht es weiter in die südlichen Karpaten und die Strecke steigt beständig an. Bei Boteni hört plötzlich der Asphalt auf und eine lange Schotterpiste beginnt. Ich muss öfters schieben. Es folgen weitere anstrengende Bergetappen, aber dafür habe ich wenig Verkehr und eine eindrucksvolle Landschaft. Und zum ersten Mal muss ich mich warm anziehen. Die Höhe macht sich bemerkbar. In Voineasa (ein Wintersportort) nehme ich mir frühzeitig ein Zimmer in einem Hostel, da mein Oberschenkel schmerzt. Das hat mir gerade noch gefehlt. Alles oder nichts heißt es am nächsten Tag. Entweder ich schaffe die Bergstrecke bis Petrosani oder ich muss vorerst die Tour abbrechen. Tausend Gedanken gehen mir durch den Kopf als ich am frühen morgen los fahre. Es geht fast 16 km nur bergauf, wenn auch mehr oder weniger sanft.
Nach einer Skistation folgt endlich eine lange Abfahrt. Mein Oberschenkel macht sich ab und zu bemerkbar, aber ich kann fahren. In einem idyllisch gelegenen Dorf vor Petrosani frage ich ein paar Leute die gerade grillen, ob ich auf ihrer Terrasse heute Nacht schlafen kann. Sie stimmen zu und sofort bin ich als Gast eingeladen zum Essen und Trinken. Am Ende des Abends bekomme ich sogar in einem alten Haus eine Schlafcouch zur Verfügung gestellt, denn auf der Terrasse “sei es zu kalt”.
In Timisoara passt der Pförtner einer Firma persönlich auf mein Rad auf, während ich in aller Ruhe die schöne Innenstadt besichtigen kann. Im Touristenbüro bekomme ich von einer deutsch sprechenden Angestellten einen goldenen Tipp: es gibt einen Radweg am Fluss entlang vom Stadtzentrum in Timisoara bis zur serbischen Grenze. Also plane ich die weitere Route etwas um, denn eine solche Gelegenheit in Rumänien gibt es selten. Der Radweg ist am Anfang sehr eng und zwei Mal muss ich die Flussseite wechseln – natürlich ohne vorherige Beschilderung. Die Strecke ist mit EU-Mitteln finanziert und teilweise bricht der Asphalt schon auf … Nach 70 Km erreiche ich das kleine Dorf Uivar und hier überlässt mir ein Imker seinen Wohnwagen neben zahlreichen Bienenständen. Er bringt mir sogar noch heißes Wasser und damit kann ich im Wohnwagen sogar duschen. Ein Glas Honig gibt es noch umsonst dazu.
Zwei Tage fahre ich endlang endloser, abgeernteter Maisfelder durch Serbien, danach folge ich dem Iron Curtain Trail (Eurovelo 13) und dem Drau Fluß in Kroatien. Eine wunderbare, fast unberührte Flusslandschaft und kaum Autoverkehr. Eine wahre Wohltat nach manchen Straßen in Rumänien. In Okrugliaca darf ich das Zelt neben einem Haus aufstellen und im Haus darf ich die Dusche benutzen und bekomme auch noch ein Abendessen. Als ich am nächsten Morgen aufstehe, liegt vor meinem Zelt eine Tüte mit frischen Backwaren… Frisch gestärkt geht es nun nach Ungarn. Bald stelle ich fest, dass die Leute dort deutlich zurückhaltender und reservierter als in den vorher von mir bereisten Ländern sind. Das überrascht mich und ist nicht mehr zu vergleichen mit der Zeit als ich vor 20 Jahren in Ungarn mit dem Rad unterwegs war. Nach Tomiszentmiklos folgt ein Abstecher nach Slowenien. Gleich folgen viele Radwege und die Sauberkeit ist ähnlich wie in Deutschland. Und dazu eine schöne Landschaft mit viel Wald und wenig Verkehr in Grenznähe zu Ungarn. Über Szentgotthárd komme ich über die Grenze nach Österreich. In Bildein schlage ich das Zelt in einem kleinen Haus (es passt gerade so hinein) auf einem Friedhof auf. Denn heute Abend bläst ein fürchterlicher Wind und hier finde ich Schutz vor dem Wind. Außerdem gibt es noch einen Wasseranschluss was auch von Vorteil ist. Bei Dunkelheit gehen viele Grablichter automatisch an …
Der Wind hat einen Wetterwechsel gebracht und es ist deutlich kühler geworden. Die Strecke führt nun wieder nach Ungarn und in der schönen Stadt Köszeg mit seiner Burg findet gerade ein großer Markt statt, wo ich mich erst einmal stärke für die Weiterfahrt. Es geht nun erneut nach Österreich und ich kann sogar längere Zeit einem Radweg folgen. In Kirchschlag in der Buckligen Welt (so heißt der Ort wirklich) zelte ich diesmal neben dem Friedhof mit herrlicher Aussicht auf das Dorf und die auf einem Bergrücken liegende, abends angestrahlte Burgruine Kirchschlag. Die Nacht war kalt und schon früh packe ich das Zelt zusammen und beginne die ansteigende Fahrt zum gleichnamigen Dorf Stang. Nach einigen Höhenmetern erreiche ich das Ortsschild “Stang”. Durch Zufall hatte ich den Namen vor einigen Tagen auf der Karte entdeckt und so dachte ich mir, da muss ich einfach hin. Später kommt eine superschnelle Abfahrt – endlich einmal keine Schlaglöcher – und ich kann es “laufen” lassen. Nach Wiener Neustadt folge ich dem Triestingtal-Radweg zunächst bis Berndorf, wo ich bei einem Rad-Dachgeber übernachte. Am nächsten Tag erhalte ich von seiner Frau eine Mitfahrgelegenheit mit dem Auto nach Wien. Hier besichtige ich das Stadtzentrum, allerdings fängt es bald an stark zu regnen. Dafür ist der Regen am Tag danach wieder vorbei. Aber es weht ein stürmischer Wind.
In Aggsbach Dorf komme ich an die Donau, der ich ein Stück folge und dann nach Spitz auf die andere Seite mit der Fähre übersetze. Jetzt geht es hoch nach Mühldorf und weiter auf über 800 Meter. Dafür ein atemberaubendes Bergpanorama. Hinter Weitra passiere ich die Grenze nach Tschechien und es regnet den ganzen Tag. Nach über 60 km im Regen komme ich nach Ceský Krumlov mit seiner Altstadt wie in einem Freilichtmuseum und trotz des Regens mit unzähligen Touristen. Ich übernachte in einem Hostel und erst nach langer Diskussion gibt es doch noch eine Möglichkeit das Rad sicher und überdacht abzustellen. Der unfreundlichste Platz auf meiner ganzen Radreise! Gegen Ende meiner Radreise schlägt das Wetter jetzt noch einmal zu. Am nächsten Tag wieder Regen, teilweise sogar Schneeschauer und es ist kalt. In Prachatice bin ich nach nur 30 km bereits klatschnass und in einer Pizzeria esse ich nicht nur eine Pizza und trinke einen heißen Tee, sondern wechsle auch meine Kleider, um die nächsten 40 km im Regen durchzustehen. So komme ich am späten Nachmittag nach Strakonice, wo ich gleich am Ortsanfang eine Privatpension finde. Am nächsten und letzten Tag regnet es nicht, dafür ist es lange neblig und nasskalt. Aber heute ist mir das egal, denn über Klatovy, Kdyne und Domazlice komme ich nach 97 Km zum Ausgangspunkt meiner Reise, dem Dorf Vévrov zurück.
Eine interessante und erlebnisreiche Radreise ist zu Ende.
Insgesamt habe ich auf dieser Radreise 3 948 Kilometer mit dem Rad züruck gelegt.
Hans Jürgen Stang