Mittelamerika – Eindrücke und Gedanken

8 · 05 · 12

Nach einem Kurzaufenthalt in der Hauptstadt Guatemalas bekomme ich die Gelegenheit mit dem Bruder eines Bekannten im Auto nach El Salvador mitzufahren. Beiläufig weist mich dieser während der Fahrt darauf hin, dass ich mir über die Fahrt und den Fahrstil keine Gedanken machen und mich entspannen soll. Nach den ersten Überholmanövern vertraue ich fürsorglich auf meinen Schutzengel, der mich glücklicherweise bis zum Ende dieser Reise nicht verlassen wird….
In San Salvador, der Hauptstadt (1,8 Millionen Einwohner) von El Salvador trennen sich unsere Wege. Ich sehe mir die Stadt und hier vor allem das Zentrum mit dem Nationalpalast, Theater, Kathedrale und den chaotischen Markt näher an. Touristen begegne ich nicht. Kein Wunder auch, denn die Stadt hat was Sicherheit und Kriminalität betrifft, nicht den besten Ruf.

Mit einem so genannten „Chicken-Bus“, der wie fast alle Busse hier nicht nur voll, sondern mehr als überfüllt ist, geht die Fahrt zur „Ruta de las Flores“ (Straße der Blumen). In dieser grünen und fruchtbaren Gegend, umrahmt von Bergen und Vulkanen, besuche ich Atillio, den ich vorher über das Internet kennen gelernt habe. In einem ehemaligen Lagerraum kann ich auf einer Matratze schlafen. Es ist recht frisch im Gegensatz zur warmen Hauptstadt. Den kleinen und sympathischen Ort und die Umgebung lerne ich zu Fuß kennen. Bei einer Wanderung passiere ich Kaffeepflücker/innen bei ihrer mühseligen Arbeit der Ernte. Und das alles für einen Hungerlohn. Trotzdem sind die Menschen freundlich und lachen als ich ihnen begegne. Obwohl nirgendwo unterwegs ein Wegweiser oder Hinweisschild zu sehen ist, entdecke ich einen wunderbaren Wasserfall, wo ich sogar im Becken darunter baden kann. Erfrischend!

Nach diesem Tag verlasse ich die Ruta de las Flores und fahre weiter zur Pazifikküste. Allein schon klimatisch ein Riesenunterschied! Das erste Bad im Meer ist fällig, aber nicht ungefährlich denn überall lauern Strömungen und starke Wellen. Kein Wunder, dass die Küste hier bei El Sunzal und El Tunco das Surfmekka für Surfer aller Nationen ist. Vom Hotel aus genieße ich eine traumhafte Aussicht auf den Strand und Palmen.
Obwohl El Salvador ein recht kleines Land ist, dauern die Busfahrten lange, viele Busse halten an jeder Straßenecke an. Wer unterwegs einsteigen will, winkt einfach dem Fahrer.

In Alegria (was soviel wie „Freude“ heißt) bin ich unter der Woche der einzige Tourist und ich kann ungestört den Ort und die schöne Berglandschaft sowie einen See (Laguna de Alegria) besuchen. Auch einen Busausflug nach Berlin – das ist kein Witz – lasse ich mir nicht entgehen.
Nachdem ich El Salvador verlassen habe, fahre ich zunächst durch Honduras und weiter nach Nicaragua. Hier ist es gleich deutlich wärmer und ich komme die nächsten Tage öfters ins Schwitzen. Die erste Station in Nicaragua ist die Hauptstadt Managua. Auch hier muss man sehr wachsam sein und bei Dunkelheit empfiehlt es sich nicht bestimmte Barrios (Viertel) allein zu besuchen. Die Hauptstadt, insbesondere das Stadtzentrum, wurde 1972 von einem schweren Erdbeben erschüttert und so stehen nur noch wenige ältere Gebäude, wie z.B. die Kathedrale, die allerdings wegen Einsturzgefahr nicht betreten werden kann. Vom Lomo de Tiscapa, einem höher gelegenen Aussichtspunkt, genieße ich einen Ausblick auf die Stadt und den umliegenden See (Lage de Managua). Während auf der einen Seite die Weihnachtsbeleuchtung die Stadt im besten Licht erscheinen lässt, stehen die Vorstädte im krassen Gegensatz dazu. Ein Kontrast wie er überall in Mittelamerika zu finden ist.

Bald reicht mir der Lärm und der Gestank in der Stadt und wieder geht es mit dem Bus weiter nach Lèon. Diese Stadt wird umrahmt vom eindrucks-
vollen Vulkan Mombacho. Lèon besitzt die größte Kathedrale Mittelamerikas. Über 100 Jahre wurde daran gebaut. Lèon war lange Zeit die Hauptstadt Nicaraguas und ist heute noch für ihre Geschichte, Kunst und Religion bekannt. In der Stadt selbst herrscht eine unglaubliche Hitze, so dass ich mich hier erstmals genötigt sehe, ein Zimmer mit Aircondition zu nehmen.
Zu Fuß kann man das Zentrum und den schönen Park bequem erreichen, meine Schritte haben sich schnell dem gemächlichen Tempo der Einheimischen angepasst. Im Park ist abends noch ein öffentliches Konzert einer Band und die halbe Stadt hat sich hier versammelt. Beeindruckend!

Bei brütender Hitze schon am frühen Morgen laufe ich zum Busbahnhof, der jegliche europäische Vorstellungen übersteigt. Irgendwann sitze ich dann doch im richtigen Bus. Nach einmaligem Umsteigen komme ich nach Granada, wo ich nach längerem Suchen ein passendes Hotel finde. Granada ist die älteste koloniale Stadt in Nicaragua, 1524 von Francisco Hernandez de Cordoba gegründet. Eine Fahrt mit dem Motorboot zu den vorgelagerten Isletas (kleine Inseln) lässt die Hitze und Schwüle der Stadt für eine Weile vergessen. Am Abend herrscht in der „Fußgängerzone“ reges Treiben und allein schon das Beobachten der Menschen ist interessant und sehenswert.

Mit einer Fähre fahre ich über den Lago de Nicaragua in 5 Stunden zur Insel Ometepe, die mit zwei Vulkanen (Concepciòn 1610 m und Maderas 1394 m) schon vom Schiff aus ein einladendes Bild abgibt.

Nach einer Zwischenübernachtung im Norden der Insel gelange ich am nächsten Tag mit einem Minibus zur Inselmitte zum Strand von Santo Domingo. Der Strand ist allerdings vom Wasser nach der Regenzeit überspült. In einem Hostal direkt am See bleibe ich die nächste Zeit. Der Besitzer ist sehr freundlich und hilfsbereit. So folge ich seinem Tipp und laufe zum Ojo de Agua – einem Naturschwimmbecken. Aber zunächst einmal muss eine Kuhweide und eine Bananenplantage durchquert werden. Nicaragua pur!
Am nächsten Tag kommt der Inselbus nicht wie vorgesehen und so leihe ich mir ein Fahrrad und fahre Richtung Merida. Die Straße, sofern sie überhaupt als solche bezeichnet werden kann, ist mehr als schlecht und ausgewaschen, steinig und voller Löcher und noch dazu steil. Ein Radler (Alp-) traum! Merida ist ein tropisches Hüttendorf, das sich endlos lang an einer Bucht entlang zieht. Später kommt ein Naturschutzgebiet und nachdem ich das Fahrrad abgestellt und den Eintritt bezahlt habe, steht mir ein strammer Fußmarsch von 3 Kilometern bis zum Wasserfall San Ramon, der versteckt in den Bergen liegt, bevor. Immerhin eine gute Erfrischung vor dem Rückweg. Zu Fuß und dann wieder mit dem Rad geht es über Merida wieder nach Santo Domingo zurück und an diesem Abend falle ich totmüde ins Bett. Nach einem weiteren Tag auf dieser wunderschönen Insel mit Vulkanpanorama trampe ich am nächsten Morgen bis Motogalpa. Ich schaffe sogar noch die Fähre nach San Jorge. Dann geht es Schlag auf Schlag: mit dem Taxi nach Rivas und anschließend weiter mit dem Bus bis San Juan del Sur an die Pazifikküste. Noch einmal genieße ich den Aufenthalt am Meer, diesmal in Nicaragua. Die Bucht und der Strand gefallen mir gut. Von San Juan aus muss ich dann noch einmal über die Hauptstadt Managua fahren und dort steige ich nach einer Stadtodyssee in einen Bus nach Matagalpa. Neben mir sitzt eine Frau mit zwei Kindern auf dem Arm und ein weiteres Kind steht zwischen den Beinen. Da darf ich mich auf dem engen Sitz doch wirklich nicht beklagen!
Matagalpa liegt rund 700 Meter hoch und das Klima ist nicht so heiß wie in anderen Teilen von Nicaragua. Ein „Bekannter“ und dessen Freund zeigt mir am nächsten Tag die Umgebung mit noch vielen Wäldern und wir fahren bis Jinotega. Auf dem dortigen Friedhof befindet sich das Grab eines Bruders von ihm, der erschossen wurde. Ich spüre ein leichtes Ziehen im Bauch als er mir das erzählt. Am Abend regnet es zum ersten Mal auf meiner Reise und kurz darauf fällt der Strom in der Stadt aus. Am nächsten Tag wandere ich durch ein „Reserva Natura“, dort sehe ich Reste des Primärwaldes, Flechten, Farne und viele Vogelstimmen begleiten mich. Der Rückweg geht durch eine Kaffeefinca – die Gegend um Matagalpa ist bekannt für den besten Kaffee in Nicaragua. Deutsche Siedler haben im 18. Jahrhundert mit dem Kaffeeanbau begonnen. Die Entwicklung des Kaffeeanbaus zeigt auch das Museo de Cafè (Kaffeemuseum) im Stadtzentrum.

Nach einem Besuch von Esteli geht es per Bus nach Ocotal. Hier im Ort bin ich Gast von Hector und Claudia. Sie wohnen in einem einfachen Haus ohne fließendes Wasser am Stadtrand. Die nächsten Tage bieten tiefe Einblicke in das Alltagsleben der Menschen von Nicaragua. Nicht duschen – Wasser schöpfen ist angesagt. Gekocht wird mit Holzfeuer auf einem einfachen Herd. Abends fällt regelmäßig der Strom aus. 2 Kinder, 2 Hunde, 5 Hühner, 2 Katzen in unmittelbarer Umgebung. Das Bett ist steinhart und mir tun morgens alle Knochen weh. Zum Frühstück (gebackene Bananen, schwarze Bohnen, Reis) steuere ich eine Wassermelone und eine Papaya bei. Dann fahren wir mit dem Rad (nur eine Bremse funktioniert, die Schaltung schon gar nicht) über Berg und Tal in ein Dorf, wo eine Tante von Claudia wohnt. Unterwegs holen wir noch Martina, eine Ex-Sozialarbeiterin aus Rom, die hier in Nicaragua Freiwilligendienst leistet, ab. Bei der Tante wird den ganzen Nachmittag auf einem Holzfeuer gekocht, viel erzählt, wieder gekocht und wieder erzählt. Danach gibt es für mich ein mehrstündiges Lehrstück im Nichtstun….

Bei einsetzender Dunkelheit geht es nach Ocotal zurück – ohne Licht am Rad, dafür zahllose Löcher auf der Straße. Claudia bekommt am nächsten Tag noch Besuch von ihrer amerikanischen Freundin und ihrem Freund, die eine Woche hier bleiben. Für mich heißt es aber Nicaragua verlassen und ich reise in Honduras ein. Zunächst muss ich die Hauptstadt Tegucicalpa passieren. Nicht gerade ein Juwel, vor allem die zahlreichen (Slum-) Siedlungen auf den Hügeln in und um die Stadt herum. Mit dem Taxi muss ich durch die halbe Stadt zu einem anderen Busbahnhof und ich habe Glück, dass ich den letzten Bus zu meinem Zielort La Esperanza gerade noch erwische. Die Fahrt dauert viel länger als ich gedacht habe und erst nach 18.30 Uhr komme ich bei völliger Dunkelheit dort an. Es ist kalt und sehr windig und bis zum Stadtzentrum muss ich ewig lange laufen. Dafür bekomme ich nach langem Verhandeln und Handeln ein riesiges Zimmer und sogar umsonst frisches Trinkwasser für nur ca. 11 €. Ich rufe Kelvin – einen Bekannten in Honduras – an und wir verabreden uns für die Weiterfahrt am nächsten Morgen zu seinem Dorf.

Nach dem Frühstück gehe ich auf den Markt, wo ich viele indiostämmige Gesichter einschließlich deren Armut sehe. Die Kinder mit zerrissenen Kleidern oder Lumpen. Die Gesichter sprechen Bände. Bezeichnenderweise bedeutet der Stadtname La Esperanza „Die Hoffnung“. Aber von Hoffnung ist hier nicht viel zu spüren. Ich kann verstehen, dass einst Che Guevara beim Anblick solcher Gesichter auf seiner Reise durch Südamerika zum Revolutionär wurde.
Ich nehme jetzt an einem neuen Lehrstück in Sachen Bus fahren teil. Mit Kelvin laufe ich zu einem Platz wo nur ein Minibus ohne Passagiere steht. Der Fahrer frühstück nebenan. Doch wir können einsteigen, das Gepäck wird auf dem Dach verstaut. Später fährt der Bus zum eigentlichen Startpunkt an den Busbahnhof und hier erstürmen unzählige Leute den Bus! Wie gut, dass ich jetzt einen Sitzplatz habe, denn 5 Stunden Busfahrt durch die Berge stehen noch bevor. Unterwegs heißt es entweder Fenster auf und Staub einatmen oder Fenster zu und schwitzen. Ziemlich ermüdet erreichen wir dann das Dorf Santa Lucia nahe der Grenze zu El Salvador.
Jetzt lebe ich ein paar Tage in einem „typischen“ Dorf von Honduras: Eine traditionelle Pila zum Waschen, Holzfeuer zum Kochen in einem alten verrosteten Blechfass, immer Leute im Haus, ein ständiges Kommen und Gehen. In diesen Tagen ist in dem Dorf das Ereignis des Jahres schlechthin – eine Feria (eine Art Kirmes) mit viel Musik, Tanz, Prozessionen, Essen und Trinken, Markt usw. Alle Besucher von den umliegenden Dörfern und dem Dorf selbst sind „herausgeputzt“ und aus allen Richtungen treffen Besucher mit kleinen Bussen und Pickup-Fahrzeugen ein.

Am nächsten Tag habe ich Gelegenheit mit einer Bekannten von Kelvin, die beim Gesundheitsdienst arbeitet, eine Familie mit einem Neugeborenen zu besuchen. Wir müssen fast eine Stunde zu Fuß gehen um dorthin zu gelangen! Kelvin zeigt mir auch das von Amerikanern gebaute Hospital „hombre a hombre“ (Schulter an Schulter) und wir besuchen noch einige Bekannte von ihm. Den Nachmittag verbringe ich auf einer Hängematte verfolgt von neugierigen Blicken der Kinder des Hauses, der Nachbarschaft, der Hühner, des Truthahns und sonstigen Tieren.

Mit einer Motorrikscha fahren wir am nächsten Morgen (zu viert) eine abenteuerliche Straße entlang zu einem Fluss mit heißen Quellen, wo wir ein Bad nehmen. Am nächsten Tag geht die halbe Familie mit mir zum Dorfplatz, wo ich wieder einen Bus nach La Esperanza nehme. Auch hier hält man mir mit einem kleinen Trick einen Platz frei. In La Esperanza verbringe ich eine weitere Nacht im gleichen Hotel. Drei Stunden dauert die Schaukelfahrt bis Gracias, einer Stadt die 1526 von Spaniern gegründet wurde.

Mit einer Rikscha fahre ich zu einem Thermalbad in der Umgebung, das letzte Stück bergauf muss ich laufen. Kaltes Wasser wäre mir heute angesichts des warmen Klimas eigentlich lieber, aber wirklich kaltes Wasser gibt es hier nicht. Für die Rückfahrt halte ich den Daumen hoch und habe Glück. Eine Frau in einem Pickup hält an und nimmt mich mit in die Stadt.
Eine weitere Fahrt mit der Motorrikscha führt 7 km weit bis in die Nähe des Nationalparks von Celaque. Wie man mit einer dreirädrigen Motorrikscha auf einer derartigen „Straße“ fahren und dabei noch mit dem Handy telefonieren und gestikulieren kann ist schon ein Kunststück. Die letzten
2 km sind dann wegen des supersteilen Anstiegs wirklich nicht mehr zu schaffen und so gehe ich zu Fuß weiter. Das letzte Stück nimmt mich aber noch ein Pickup mit. Nachdem ich am Parkeingang den Eintritt bezahlt habe, mache ich eine Wanderung von 1 200 Meter Höhe bis auf knapp über 2 000 m Höhe. Leider sehe ich vom Mirador de Cascada den Wasserfall nicht, weil es bewölkt ist und neblig. Dennoch ist die grüne Waldlandschaft um mich herum faszinierend. Der Weg führt weiter zum höchsten Berg Honduras, dem El Cerro de las Minas (2 849 m), das ist aber ohne Zelt und Zwischenübernachtung nicht zu schaffen. Nach einer Rastpause laufe ich wieder zurück in Richtung Stadt. Irgendwann unterwegs kommt eine leere Rikscha, die mich zu meiner eigenen Überraschung umsonst mitnimmt. Als der Fahrer erfährt, dass ich selbst jahrelang in Deutschland Rikscha gefahren bin, ist er völlig aus dem Häuschen und hört gar nicht mehr auf zu reden. Eine Pizza am Abend rundet den heutigen Tag ab.
Über San Pedro Sula (der Stadt mit den meisten Morden in Honduras) und El Mochito geht es zum Lago de Yojoa. Einem See, den ich nach einer langen Irrfahrt erreiche. Mit viel Glück finde ich hier den Onkel von Kelvin, der als „Aufpasser“ für ein Landhaus eines Kolumbianers dort wohnt. Die Lage des Anwesens mit Blick auf den See von oben ist traumhaft. Das Haus des Onkels dagegen ist alles andere als traumhaft. Auf eine nähere Beschreibung möchte ich hier verzichten. Und auch seine Familie und die Kinder sind alles andere als reich gesegnet. Ich darf im Landhaus schlafen…
Jeremias, so heißt der Onkel, rudert mich am nächsten Tag über den See zu einer Fischaufzuchtstation auf dem See. Bewacht von einem jungen Mann in einer Wellblechhütte auf Fässern. Nach der Bootsfahrt laufen wir gemeinsam in das nahe gelegene Dorf Las Conchas. Die Straße verschlammt, die Leute arm, die Kinder in Lumpen und Badeschlappen – bestürzend! Und das an einem See, der in der Tourismuswerbung des Landes als eine der großen Attraktionen des Landes angepriesen wird.

Der Besuch des Pulhapanzak-Wasserfalles am Rio Lindo wird zu einem Höhepunkt meiner Reise durch Honduras. Ich bin der einzige Besucher an diesem Montagmorgen.

Wieder über San Pedro Sula erreiche ich am frühen Abend die Stadt Yoro. Normalerweise verirrt sich hier kein Tourist. Ich bin jedoch eingeladen von Aurelia und ihrem Mann hier die Weihnachtstage zu verbringen. Sie sind aus Kolumbien und arbeiten u.a. für ein Projekt „Bau von Bambushäusern“.

Sie wohnen in einem riesigen Haus, eingezäunt von Stacheldraht. Aurelia war auch als Au-pair-Mädchen in Deutschland. Deshalb backt sie zur Weihnachtszeit Plätzchen und Gebäck, die sie im Ort verkauft. Ich hätte mir vorher nicht träumen lassen, in Honduras deutsches Gebäck zu finden!
Nach einem Rundgang im Ort fahren wir mittags zu einem Haus, das u.a. mit Bambus gebaut wird. Abends kommt ein Freund aus Holland mit seiner Freundin und es gibt ein längeres Palaver bis in die Nacht. Am nächsten Tag wird mir klar, dass die Leute hier noch ärmer sind als am Lago de Yojoa, ich kann es kaum fassen. Mit dem Holländer fahren wir mit einem Allradfahrzeug eine steile und ausgewaschene Straße hoch. Mehr als einmal steigt der Fahrer aus und schaut sich die Lage an, bevor er weiterfährt…

Den Rest des Weges geht es dann zu Fuß hoch bis zu einem Wasserfall, den wir völlig durchgeschwitzt erreichen. Er ist allerdings von allen Seiten so zugewachsen, dass man nicht nah genug herangehen kann um ins Wasser zu gehen oder gar zu schwimmen. Eine Feier mit Grillen und viel Bier auf einer abgelegenen Finca ist ebenfalls mit einer haarsträubenden Anfahrt verbunden. Das weitere Weihnachtsprogramm beinhaltet diverse Besuche, deren Anzahl und Ort sich stündlich ändern. Wieder mal ein Lehrstück für mich in Sachen Geduld!
Den Weihnachtsabend verbringen wir mit weiteren Einladungen mal hier und mal dort, immer mit lauter Musik, Tanz, Essen, Trinken und Feuerwerksböllern. Nicht zu vergleichen mit der „Stille Nacht – heilige Nacht“ Mentalität bei uns. Ein völlig anderes Gefühl, doch sehr anstrengend.
Da es in Honduras keinen ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag gibt, fahre ich mit einem Bus (7 Stunden) über Olanchito, Sava nach Trujillo, einer verschlafenen tropischen Stadt an der Bucht von Trujillo. Während dieser Fahrt verliere ich meine Armbanduhr, die ich in der Hosentasche hatte – nur die Tasche hatte ein Loch…
Aber nachdem Zeit hier sowieso keine Rolle spielt, ist das nicht besonders tragisch. In der Nähe von Trujillo landete Columbus am 14. August 1502. Trujillo war auch eine der ersten Siedlungen der Spanier in Mittelamerika.
Ich übernachte im „Casa Alemania“, einem Hotel das ein Deutscher hier gebaut hat. Zum ersten Mal nach langer Zeit rede ich wieder Deutsch!

Schon um 19 Uhr ist in der Stadt fast alles geschlossen und ich habe Mühe noch etwas zum Essen zu finden. Mit einem lokalen Bus, dessen Abfahrt niemand vorauszusagen weiß, gelange ich nach Santa Fe – einer Garifuna Community. Die Garifunas sind von schwarzer Hautfarbe und Nachkommen von Sklaven, die die Briten zu den Bay Islands im Norden von Honduras brachten.

Der Weg dorthin ist durch Regen aufgeweicht, mehrere Flussbette müssen durchquert werden. Ein Restaurant, das wie geschlossen aussieht, hat aber geöffnet und die Frau hinter dem Tresen bereitet mir einen leckeren Fisch zu. Wie gut, dass ich keine Uhr mehr habe, denn es dauert einige Zeit…
In der Stadt Trujillo zurück schaue ich mir noch das Fort Santa Bàrbara an, das zum Schutz gegen Piraten über der Stadt erbaut wurde.

Nach einem schönen Sonnenuntergang genieße ich den ganzen Abend den Blick aufs Meer. Da es offiziell in der Stadt nirgends ein Rad zu mieten gibt, spreche ich einen Mann mit seinem Mountainbike auf der Straße an, ob er mir sein Rad für einen Tag leiht. Für 80 Lempiras (5 €) kann ich das Rad den ganzen Tag behalten – kein Ausweis, keine Sicherheit, keine Fragen….
Ich fahre an der Laguna de Guaimoreto (Vogelwelt) vorbei bis Puerto Castillo, einer kleinen schmutzigen Hafenstadt. Auf der anderen Seite der Bucht finde ich nach einiger Suche einen Zugang zum Strand. Dort bin ich völlig allein. Etwas sehr seltenes in Mittelamerika! Der Rückweg führt direkt über die Landebahn des Flugplatzes von Trujiollo! Im Parque Nacional Capiro-Calentura unternehme ich eine Bergwanderung, der Rückweg führt mich an einfachsten Hütten vorbei bis in die Stadt. Den Abschluss bildet ein Bad im Meer.

Die nächste Station ist die Stadt La Ceiba. Hier ist es wieder deutlich wärmer als in Trujillo. Ein heftiger Regenschauer geht nieder als ich gerade in einem Restaurant Tacos esse. So verbringe ich hier noch längere Zeit. Auf dem Rückweg sehe ich viele Menschen mit Kartons und Zeitungen vor Häusern einen Schlafplatz suchend. Selbst gegenüber meinem Hotel – ein
seltsames Gefühl macht sich breit.

Von La Ceiba aus geht es zu meiner letzten Station in Honduras: Copàn Ruinas. Hier befindet sich die Maya-Ausgrabungsstätte von Copàn. Diese habe ich vor 2 Jahren bereits besichtigt. Aber der Ort selbst ist schön, ruhig, gemütlich und übersichtlich. Deshalb verbringe ich hier auch den Silvesterabend. Überall wird geballert und geschossen. Am nächsten Tag nehme ich an einem Ausflug des Hotels teil – mit anderen fahren wir auf abenteuerlicher, schlammiger Piste zu den Luna Jaguar Hot Springs. Und die Wärme tut gut, da es geregnet hat und wir hinten auf dem Pickup nass wurden. Von der Straße aus sind die heißen Quellen kaum zu sehen und auch nur über eine Hängebrücke zu Fuß zu erreichen. Danach verlasse ich Honduras über El Florido und über Chiquimula erreiche ich die guatemaltekische Hauptstadt Guatemala Stadt.
In Guatemala verbringe ich zum Abschluss noch einige Zeit in Antigua, Panajachel (am Lago Atitlàn) und der Hauptstadt.

Fazit:
Eine eindrucksvolle aber auch anstrengende Reise, die mir das Leben, die Mentalität, die Sorgen und Nöte, aber auch die Lebensfreude dieses Teils von Amerika näher gebracht hat.

Hans Jürgen Stang

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