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Am 28. Oktober 2013 bin ich mit dem Zug von Stuttgart nach Zagreb (Kroatien) gefahren. Da ich dort keine Übernachtung bei einem Radler finden konnte, musste ich ein Privatzimmer auf den letzten Drücker buchen, was aber geklappt hat. Auch die Adresse habe ich trotz abendlicher Dunkelheit relativ schnell gefunden.
Bei warmem Wetter ging es dann am nächsten Tag mit dem Rad los. Die Ausläufer der Stadt zogen sich ewig hin, bevor ich endlich in kleine Dörfer kam und weniger Verkehr hatte. Auch in diesen Dörfern ist der Wandel in die Neuzeit unverkennbar. Aber auch vereinzelte Spuren des Balkankrieges sind noch zu sehen. Nach 90 Kilometern Fahrt holt mich mein Rad-Dachgeber natürlich per Rad zu seiner Wohnung ab. Die Mutter im Haus hat bereits Essen gekocht und so wird auch schnell mein Hunger gestillt. Morgens muss ich früher aufstehen, meinen Rad-Rhythmus ändern, da es abends bereits ab 17.00 Uhr dunkel wird. Über Nueva Gradika, Nueva Kapela fahre ich am nächsten Tag in ein ganz kleines Dorf namens Radkovicza. Dort wohnt eine Dachgeberin aus Frankreich bei der ich in einem Gästezimmer übernachten kann.
Unterwegs am folgenden Tag beobachte ich Dorfszenen wie Hühner rupfen, Schweine schlachten und Straße sauber machen. Eine Mücke in meinem Auge zwingt mich zum Anhalten vor einem Haus. Eine Frau bringt mir Wasser und ein Tuch und nach einer Weile ist die Mücke entfernt. Dafür darf ich noch Trauben aus dem Weinstock im Hof mitnehmen. Am nächsten Morgen will ich an einem Straßenstand ein paar Mandarinen kaufen. Das gelingt mir aber nicht, da mir die Verkäuferin die Mandarinen schenkt. Auf dem langen Weg nach Zupanja tut eine solche Erfahrung gut und auch die folgende: Bei einer Rastpause an einer Bank neben einer Schule ruft mich ein Mann zu sich ins Haus. Dort bewirtet man mich mit Kaffee und selbstgebackenem Mohnkuchen. Leider kann ich nicht lange bleiben, da die Zeit schon fortgeschritten ist.
Wieder ist es ungewöhnlich warm, als ich mich am nächsten Tag in einem Waldstück verfahre. Ich schlage die falsche Richtung ein und so beschert mir das einen weiten Umweg. Das kostet natürlich Zeit, die nicht mehr aufzuholen ist. Aber heute spielt das sowieso keine Rolle, da ich noch keine Übernachtung habe. Im Dorf Ilaca, etwa 15 Kilometer vor der Grenze zu Serbien, spreche ich einen Mann mit seinen Kindern auf der Straße an und der nicht wirklich existierende Zufall will es, dass er deutsch spricht, weil er in der Schweiz gearbeitet hat. Wenige Minuten später bin ich in einem großen Haus, habe ein eigenes Zimmer und eine Dusche. Was will ich mehr?
Die weitere Fahrt fordert alle Anstrengung, daher stehe ich schon sehr früh auf und fahre bei leichtem Nebel los. Über die Grenze nach Serbien bei Sid geht es weiter über Ruma, Stara Pazova und Nueva Pazova bis nach Belgrad. Als ich nach 126 Kilometern den Treffpunkt mit meinem Dachgeber Alexander am Donauufer erreiche, reicht es mir. Dann noch ein Stück durch die Stadt zu seiner Wohnung fahren und das Rad in den 4. Stock hochtragen. Das wars dann für heute! Doch nach einer Dusche und dem Abendessen geht es schon wieder besser.
Der folgende Tag ist ein Rad-Ruhetag. Mit Bus und zu Fuß führt mich Alexander in das Stadtzentrum und zur beeindruckenden Festung von Belgrad. Beeindruckende Aussicht auf die Stadt und die Flüsse Donau und Sava. Anschließend noch mal ausruhen und dann heißt es die weitere Route planen. Diese wird mich die Donau entlang führen.
Auch der nächste Tag ist noch recht warm, als ich das Rad vom 4. Stock herunter trage, während Alexander das Gepäck mit dem Fahrstuhl nach unten bringt. Die Fahrt durch die Stadt hat ihre Tücken. Einmal werde ich fast zwischen zwei Bussen eingeklemmt, ein anderes Mal schneidet mich eine Autofahrerin um Haaresbreite. Manchmal habe ich das Gefühl, dass manche Menschen am Steuer eines Autos zu Unmenschen mutieren. Nach etwa 8 km Fahrt durch die Stadt erreiche ich endlich die Brücke nach Pancevo und hinter der Brücke folge ich dem Eurovelo 6 – Radwegschild, das direkt auf den Dammweg entlang der Donau führt. Was für eine Ruhe auf einmal! Nach einigen Kilometern führt der Radweg wieder auf die Straße und in Pancevo hole ich erst einmal Geld vom Bankautomaten und kaufe etwas zu essen. Später geht es wieder an die Donau und es ist teilweise ein holpriger Pfad der sich unendlich in die Länge zieht. So muss ich bald erkennen, dass ich heute nicht so weit komme, wie ich eigentlich vor hatte. Selbst bis Kovin brauche ich noch fast eine Stunde und ich schaffe es gerade noch vor Einbruch der Dunkelheit. Im Ort muss ich mir ein Zimmer nehmen in der Villa Milano. Ganz neu, sauber und WiFi im Zimmer. Der reinste Luxus für umgerechnet 18 Euro die Nacht.
Am nächsten Morgen stehe ich früh auf und frühstücke Müsli und Obst auf dem Zimmer. Kurz nach 7 Uhr bin ich schon wieder auf dem Donauradweg bis Dubovac. Hinter Dubovac fängt es an zu regnen und in einem Waldstück neben der Straße finde ich einen Unterschlupf, wo ich mich umziehe und die Regenkleidung anziehe. Nach einigen Kilometern hört der Regen auf und der Wind trocknet fast alles wieder. Dafür verfahre ich mich, weil das Radwegschild an einer Stelle definitiv in die falsche Richtung zeigt!
8 Kilometer Umweg sind die Folge davon. Mit Gegenwind erreiche ich Stara Palinka, wo gerade die Fähre über die Donau anlegt. Aber erst wird dort mal Pause gemacht – Mittagszeit. Trotzdem habe ich Riesenglück. Denn das ist heute die letzte Fähre über die Donau. Breit ist der Fluss wie ich erst jetzt bei der Überfahrt richtig erkenne
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Die Fähre legt in Ram an, wo sich eine mittelalterliche Festung befindet. Ich schiebe mein Rad dort hoch und genieße die schöne Aussicht bei einer weiteren kleinen Pause. In Veliko Gradiste verliere ich vorübergehend die Orientierung und im Dorf Pozezeno frage ich nach einem Schlafplatz – Fehlanzeige. In einem überdachten Flur oder Gang eines leerstehenden Gebäudes schlage ich mangels weiterer Alternativen mein Nachtlager auf. Der Platz ist windgeschützt und nur am frühen Morgen bekomme ich wie immer kalte Füße im Schlafsack. So bin ich sehr früh schon startklar. Doch leider regnet es und es hört nicht auf. Ich habe keine andere Wahl, wenn ich hier weiter rumstehe friere ich nur, also fahre ich los. Mittlerweile haben sich riesige Pfützen auf der Straße gebildet, die ich umfahren muss. Zum Glück ist kaum Verkehr. Das Wasser von oben reicht mir auch so. Die Strecke wäre schön, wenn das Wetter mitspielen würde. Hinter Golubac steht eine riesige Festung an der Donau, danach kommt noch eine archäologische Ausgrabungsstätte. Beim dortigen Restaurant wärme ich mich mit einer Suppe und drei Pfannkuchen auf. Nach 50 Kilometern hört der Regen auf und so fahre ich auch noch ein Stück weiter. Es folgen einige leichte Anstiege bevor ich die Stadt Donji Milanova erreiche. Dort entdecke ich eine Touristeninformation, die sogar geöffnet hat und hier bucht man mir auch ein Zimmer für sage und schreibe 8,60 Euro. Als ich das Haus finde, erwartet mich schon die Vermieterin und ich habe ein ganzes Stockwerk für mich allein. Sogar die Heizung ist an. Und genau die brauche ich heute um meine nassen Sachen zu trocknen. Die Stadt selbst ist klein und übersichtlich, was mir sehr entgegen kommt. Eine leckere Pizza mit Tiramisu als Nachtisch serviert mir ein Barbesitzer der deutsch mit Wiener Dialekt spricht, da er mehrere Jahre in Österreich gearbeitet hat.
Nach dem Frühstück im Wohnzimmer schaue ich mir nochmal den Donaustrand im Ort an, denn meine Fahrt führt jetzt weg von der Donau. Und das bedeutet Anstiege! Teilweise muss ich auch das Rad schieben, damit habe ich hier allerdings noch nicht gerechnet. Dafür gibt es einen schönen Blick auf die Donau von oben. Die Strecke steigt auf fast 500 Meter an, als ich das Dorf Miroc erreiche. Ein wirklich schönes, ursprüngliches Dorf. Als ich das Rad an einen Zaun lehne, um etwas zu trinken ruft mich ein älterer Mann zu sich auf die Terrasse. Er bringt Raki-Schnaps, natürlich selbstgebrannt. Innerhalb weniger Minuten ist der Tisch gedeckt mit Schafskäse, Tomaten, Paprika, Meerrettich, Maisbrei. Alles selbst gemacht und es schmeckt hervorragend. Wie gut, dass er öfter in die Küche geht, so dass ich den Raki leider unbemerkt entsorgen kann. Denn bei so vielem Nachschenken wäre ich nicht mehr in der Lage, weiter zu fahren. Anschließend zeigt er mir noch den Garten, den Acker, seine Kuh, die Schweine und Hühner.
Nun folgt eine lange Abfahrt, leider ist die Straße sehr schlecht, teilweise mit Schotter. Dann endlich kommt guter Asphalt und mit 64 km/h rausche ich den Berg hinunter bis zur Donau. Ich folge jetzt wieder der Eurovelo-Beschilderung bis Negotin. Nach längerem Suchen und Fragen finde ich ein Zimmer mit Dusche. Auch hier alles sauber und neu gemacht. Später esse ich im Zentrum zu Abend und gebe für einige Lebensmittel noch mein restliches serbisches Geld aus.
Wie gewohnt frühstücke ich auf dem Zimmer und verlasse dann die Stadt. Einige Kilometer weiter, mitten im Niemandsland, ein Schlagbaum – die Grenze zu Bulgarien. Niemand ist zu sehen und so fahre ich fast durch. Eine resolute serbische Grenzpolizistin stoppt mich gerade noch im letzten Moment. Der bzw. die bulgarische Grenzpolizistin lächelt mir sogar zu und fragt mich ob ich einen Stempel in den Pass will. Also sage ich ja. Und schon bin ich in Bulgarien. Gleich hinter der Grenze viele verfallene Häuser in den Dörfern. Die Strecke bis Vidin enthält einige Steigungen und dauert seine Zeit. In einem Café in der Stadt esse ich erst mal was, bevor ich nach einem Radladen Ausschau halte. Denn ich möchte meine Bremsbeläge wechseln lassen, die ich mitgebracht habe. Aber der einzige Radladen in der Stadt verkauft nur Teile und Neuware. Am Straßenrand frage ich einen einheimischen Radfahrer, ob er noch jemanden kennt, der das machen kann. Er spricht deutsch, da er in Deutschland arbeitet. Und er bringt mich mit dem Rad, vorbei an leerstehenden Häusern zu einem Bauwagen, in dem sich eine Radwerkstatt befindet. Kaum habe ich die Radtaschen vom Rad abgemacht, schraubt er auch schon los und in wenigen Minuten sind die neuen Bremsen angebracht. Dafür lade ich den Deutsch-Bulgaren zum Essen ein. Es ist ein Restaurant am Donauufer. Gutes Essen für zusammen 9 Euro mit Getränken.
Dann muss ich aber wieder losfahren und die Durchquerung des ersten Ortes hinter Vidin ist kaum möglich – Kopfsteinpflaster übelster Art. Danach stelle ich fest, dass es infolge Zeitverschiebung eine Stunde später dunkel wird. In einem Motel frage ich nach einem Zimmer, aber weder der Preis noch die Umgebung hier gefallen mir. Ein Bediensteter (!) gibt mir den Hinweis, dass einige Kilometer weiter eine günstigere Übernachtungs-möglichkeit besteht. Diese finde ich auch anschließend und bleibe für eine Nacht.
Der Nebel hüllt am nächsten Morgen alles ein, als ich Lom erreiche. Eine Stadt die auch schon bessere Zeiten gesehen hat. Auf dem dortigen Markt kaufe ich leckeren Honig ein. Die Fahrt nach Kozloduy bietet neben Steigungen auch wieder Kopfsteinpflaster. Nach einem kurzen Einkauf bei Lidl ruhe ich mich auf einer Parkbank aus und genieße die Sonne jetzt.
So langsam werde ich müde und im Dorf Glozhene frage ich nach einer Übernachtung. Zuerst gibt es nur Ablehnungen, doch dann bringt mich ein älterer Mann zu einem Haus, wo ebenfalls ein älterer Mann wohnt. Dort bekomme ich ein Bett in der Küche. Nebenan läuft der Fernseher – Bundesliga. Mein heutiger Dachgeber kann sämtliche Spieler nennen…
Eine Dusche gibt es heute nicht. Waschen ist in der Küche angesagt und die Toilette befindet sich auf dem Hof. Der Ofen in der Küche verbreitet eine Bullenhitze.
Um 8 Uhr morgens verabschiede ich mich von Svetan und frühstücke vor einem Geschäft im Dorf. Wieder dichter Nebel heute morgen bei meiner Fahrt durch kleine Dörfer. Wegen einer Straßenumleitung werde ich zu zusätzlichen Kilometern gezwungen und erreiche die Stadt Pleven erst nach 104 Kilometern. Mitko, ein Couchsurfer holt mich nach einem Telefonat mit dem Auto bei einer Tankstelle ab und ich folge ihm zu seiner Wohnung. Dieses Mal muss ich das Rad nur zwei Stockwerke hoch tragen. Abends kommen noch Freunde zu Besuch und ich kann mich nur mit Mühe wach halten. Gemeinsam frühstücken wir am nächsten Morgen in der Stadt und während Mitko zur Universität geht, fahre ich wieder weiter. Wenig einladende Dörfer heute, viele Zigeuner. Auch heute Nebel, der sich nachmittags wieder auflöst. Über Nebenstraßen komme ich nach Pavlikeni und im Dorf Lesicheri frage ich nach einem Übernachtungsplatz.
Vergebens wie es scheint. Doch als ich ein Haus mit Gewächshaus, neuem Auto etc. sehe, trete ich in den Hof ein und frage den Besitzer. Der Bulgare spricht kurz mit seiner Frau und gleich darauf gehen sie mit mir zum Nachbarhaus, wo sie mir ein Schlafzimmer und ein Bad mit Toilette zeigen. Später holen sie mich ab und bringen mich ins Dorfrestaurant, wo ich zum Essen eingeladen bin. Ein Freund des Bulgaren ist ein ehemaliger deutscher Seemann namens Peter, der im Nachbardorf lebt und mit einer Bulgarin verheiratet ist, die französisch spricht. So gibt es einen interessanten Abend.
Am folgenden Morgen zeigt mir der Bulgare seine riesige Baumschule.
Über kleine Siedlungen komme ich dann auf eine Straße, die voller Lastwagen ist und ich bin froh als ich sie wieder verlassen kann. Doch ich komme vom Regen in die Traufe – die weitere Strecke ist unbefestigt, voller kleiner Steine und steigt beständig an. Außerdem bin ich nicht sicher, ob ich überhaupt auf dem richtigen Weg bin. Das bin ich glücklicherweise, wie sich zwei Stunden später herausstellt. Danach geht es auch nicht viel schneller vorwärts, da die Straße immer noch ansteigt. Ich erreiche Popovo, wo ich bei einem Radlerpaar mit zwei kleinen Kindern bleiben kann. Christopher, ein Amerikaner organisiert sogar für mich noch die nächste Übernachtung bei einem Freund in Shumen.
Bei bedecktem Himmel komme ich am folgenden Tag über Lenitsa nach Shumen, wo mich Sriven mit dem Auto im Stadtzentrum abholt. Leider sind es noch 3 Kilometer, meist ansteigend, die ich ihm hinterher fahren muss.
In seinem Haus werde ich herzlich begrüßt und mit seiner Frau und dem Kind essen wir gemeinsam zu Abend. Sie haben das Haus gekauft und sind gerade beim Renovieren.
Auf der Suche nach der Straße mit der Nummer 2 laut Karte nach Varna lande ich auf der Autobahn A 2. Doch niemand scheint das zu stören. Keiner hupt, keiner regt sich auf, keine Polizei. So bekomme ich dank Rückenwind richtig Fahrt auf der Standspur. Die Strecke ist auch die kürzeste Verbindung bis Varna. Hinter Denya verlasse ich die Autobahn und fahre hinunter zu einem See. Von hier aus geht es ebenfalls parallel am See entlang bis Varna. Bei Beloslav setze ich mit einer Autofähre zum anderen Ufer über. Von hier aus sind es noch 9 Kilometer ansteigende Strecke bis zum Dorf Konstantinovo. Hierher wurde ich von Peter, dem deutschen Seemann geschickt – zu einem englischen Freund, der mit einer Bulgarin verheiratet ist. Das Haus ist allerdings nicht ganz einfach zu finden, da es außerhalb des Dorfes liegt. Mit herrlichem Blick auf den See und die Stadt Varna. Ich erhalte ein Gästezimmer mit Dusche und Kaminofen!
Dank der englischsprechenden Frau von Arthur, dem Engländer, erfahre ich nach einem Telefonat mit der Schiffsgesellschaft, dass das Frachtschiff nach Georgien nicht wie planmäßig am 17. November, sondern einen oder zwei Tage später fährt. Genaues weiß man noch nicht…
Eine tolle Nachricht – dass ich mich noch etwas vor der Abfahrt ausruhen wollte war vorgesehen, doch so lange und vor allem wie lange?
Das Warten auf das Schiff verbringe ich mit einem Besuch der Innenstadt von Varna sowie einem Spaziergang in der Umgebung meiner Unterkunft. Schöne Wochenendhäuser am Waldrand mit Blick auf Varna.
Bei einer Routinekontrolle meines Rades stelle ich sonntags morgens fest, dass der linke vordere Lowrider-Gepäckträger glatt durchgebrochen ist. Nach dem ersten Schock fuhr mich die bulgarische Frau mit dem abmontierten Gepäckträger zu einem Handwerker, der die Bruchstelle wieder zusammen schweißt. Auf meine Frage nach der Bezahlung winkt er ab.
Nach einem weiteren Telefonat mit einem Agenten der Schiffsgesellschaft aus der Ukraine, teilt man uns mit, dass das Schiff einen Tag später ankommt und abends den Hafen in Richtung Georgien verlassen wird. Also habe ich noch Glück, dass es nur einen Tag Verspätung hat und so fahre ich am Montagnachmittag noch etwa 17 km zum Hafen, wo das Schiff mit dem klangvollen Namen „Held von Sewastopol“ vor Anker liegt.
Ein riesiges Frachtschiff mit Zugwaggons und Lastwagen, Autos unter russischer Flagge…
Die Prozedur des Eincheckens ist ein Fall für sich und zieht sich ewig in die Länge. Doch das war nicht anders zu erwarten.
Auf dem Schiff sind zu meiner Überraschung zwei weitere Radler, eine junge Polin aus Danzig und ein junger Franzose aus Nantes. So gibt es genügend Gelegenheit während der Schifffahrt Radlerlatein zu spinnen. Die Kabine, die ich bekomme ist sauber mit eigener Dusche, die bulgarische Besatzung sehr freundlich und das Essen ist gut. Neben uns Radlern sind die übrigen Passagiere LKW-Fahrer mit ihren Trucks auf dem Schiff.
Nach zwei Tagen erreichen wir bei sonniger Überfahrt gegen Mittag den Hafen von Batumi in Georgien. Nach einer weiteren langwierigen Prozedur mit Passkontrolle heißt es für uns Radler als erstes „Welcome to Georgia!“
Wir fahren zusammen in die Stadt und besorgen uns beim Touristenbüro eine Karte von Georgien. Während die beiden Radler zu einer Unterkunft fahren die in Strandnähe liegt, nehme ich ein Gästehaus in der Innenstadt. Das alte Zentrum der Stadt gefällt mir gut, auch die lange Strandpromenade mit viel Grün ist nicht zu verachten. Und überall wird gebaut.
Am nächsten Morgen fahre ich bei 17 Grad los und nach einigen Kilometern komme ich zum Botanischen Garten von Batumi. An der Kasse lasse ich das Rad stehen und mache einen längeren Rundgang durch den sehenswerten Garten mit Blick auf die Meeresküste des Schwarzen Meeres.
Auf der Strecke nach Poti viel Verkehr und auch einige Steigungen, ziemlich nervig. Während der Fahrt glaube ich am Hupen der Lkw die Nationalität des Trucks zu erkennen.
In Poti gelingt es mir eine Mutter und ihre Tochter zu überreden und sie geben mir ein Quartier für eine Nacht.
Am folgenden Tag frühstücke ich auf einer Bank vor einigen Geschäften in der Innenstadt und nehme dann Kurs in Richtung Zugdidi. Sobald ich die Hauptstraße, die auch in Richtung Tiflis (Tbilisi), der Hauptstadt von Georgien führt, verlasse, nimmt der Verkehr drastisch ab. Langgezogene Dörfer mit schönen Häusern säumen meinen Weg. An einem Zaun lehne ich mein Rad an um etwas zu trinken, wenige Minute später kommen zwei Männer und schenken mir einige Mandarinen sowie rötliche kleine Früchte von einem Baum, genannt „Barbarossi“.
Ein paar Dörfer weiter mache ich Mittag auf einer Bank vor einem Haus und eine Frau kommt heraus und schenkt mir einen Raki-Schnaps sowie einen Fruchtsaft ein. Kurze Zeit später bin ich im Haus bei Kaffee und Gebäck. Mit einer Tüte voll weiterer Mandarinen und Zitronen sowie einer Flasche Wein fahre ich schwerer als je zuvor weiter.
In Zugdidi frage ich nach einer Übernachtung, doch zunächst findet sich nichts. Eine gut englischsprechende Frau sagt mir dann, dass ich dort bleiben könne, kurz danach muss ich in ein anderes Haus umziehen doch das dicke Ende soll erst noch kommen. Ich laufe in die Stadt um sie mir noch kurz vor Einbruch der Dunkelheit anzusehen und als ich zurück komme, sagt man mir, dass ich leider doch nicht bleiben kann und so muss ich bei Dunkelheit in die Stadt fahren und die Suche beginnt von neuem. Zwei Gästehäuser die ich nach vielem Fragen finde, sind geschlossen. Am Ende nimmt mich ein Mann zu sich mit ins Haus. Dusche gibt es hier keine, aber ich habe ein eigenes Bett und ich kann froh sein, zu später Stunde noch etwas gefunden zu haben. Es läuft eben nicht immer alles glatt im Leben!
Ich verlasse die Stadt sehr früh, nachdem ich noch Proviant für unterwegs eingekauft habe. Bald endet auch die mediterrane Vegetation und von nun an geht es fast nur noch bergauf. Ab und zu muss ich auch schieben. Schöne Aussichten auf die ersten schneebedeckten Berge des Kaukasus.
Einige unbeleuchtete Tunnel sorgen für unbeabsichtigten Adrenalinschub.
Oberhalb eines Stausees heißt es mehr schieben als fahren, doch später ist die Steigung moderat. Es wird kühler, je höher ich komme. Außerdem versperren Felsen und Berge der Sonne den Zutritt. Als ich nach 76 Kilo-metern in einem Dorf namens Kaishi ankomme, halte ich direkt vor dem einzigen Gästehaus weit und breit. Das Zimmer ist einfach, die Dusche ein Krampf und das Essen ist auch nichts Besonderes. Doch ich bin froh etwas gefunden zu haben, denn kurz darauf wird es schon dunkel und kalt.
Am Morgen bin ich dann gleich nach Sonnenaufgang, was hier kurz vor
8 Uhr ist, losgefahren. Steigungen ohne Ende, enge Schlucht oberhalb eines Flusses, einige Stellen auf der Straße vereist. Ein Pkw im Straßengraben.
Später kommt die Sonne und das Eis ist vorbei. Vor mir gigantische Berge voller Schnee. Später sehe ich diese Berge von fast allen Seiten. Ich komme mir vor wie ein Zwerg bei ihrem Anblick. Selbst den Elbrus mit 5642 Metern der höchste Berg Europas kann ich kurz erspähen. Lange Serpentinen fordern meine letzte Kraft nach einer Mittagspause, umgeben von Bergen, die alle höher als 3000 Meter sind. Dann erreiche ich die Region Swanetien mit alten Dörfern und hohen, steinernen Wehrtürmen.
Nach 68 Kilometern Fahrt durch die Berge des Kaukasus komme ich in Mestia an, wo ich in einem Gästehaus mit guter und reichlicher Verpflegung bleibe.
In Mestia hat sich überraschend die Möglichkeit ergeben mit zwei weiteren Gästen im Gästehaus eine Fahrt mit einem Allradfahrzeug für ca. 24 Euro pro Person nach Uschguri (Ushguri) zu unternehmen. Und im Nachhinein bin ich froh, dass ich diese Fahrt mitgemacht habe, denn dabei hat sich gezeigt, dass es unmöglich gewesen wäre diese Strecke mit dem bepackten Rad zu bewältigen. Von einer Straße kann man hier nämlich nicht sprechen, es ist eine Art Piste, die aus Steinen, Geröll, Schlamm, Wasserlöchern, Eisstellen und mehr besteht. Auf der einen Seite Felsgestein und auf der anderen Seite eine tief unten verlaufende Schlucht ohne jegliche Absicherung. Und am Ende im Nirgendwo Ushguri und zwei Nachbardörfer mit alten, steinernen Wehrtürmen und teilweise verfallenen Häusern, aber mehreren Gästehäusern. Kein Wunder, denn im Hintergrund schnee-bedeckte Berge, Gletscher und Wanderwege die dort hin führen. Fast drei Stunden dauerte die abenteuerliche Fahrt.
Jetzt ist klar, dass ich die gleiche Strecke bis Zugdidi wieder zurück fahren muss. Aber diese ist immerhin asphaltiert. Nach einem Ruhetag mit kleinen Spaziergängen in Mestia bin ich dann von Mestia aus wieder losgefahren.
Wolken- und nebelverhangen präsentiert sich diese Fahrt, aber sie kommt zur rechten Zeit, kurze Zeit später ist dort der Winter eingekehrt. Mein Rad verdreckt total, da ich durch mehrere Baustellen mit aufgeweichtem Boden fahren muss. Nach genau 99 km kommt ein kleines Restaurant mit Zimmervermietung gerade noch rechtzeitig. Doch bitter kalt ist die Nacht unter dem Dachboden. Da nützt auch der tolle Blick auf einen Gebirgssee nicht viel.
Unmittelbar nach Sonnenaufgang fahre ich los und nach wenigen Kilometern geht es rasant bergab. Doch Löcher und Ausbuchtungen in der Straße fordern volle Konzentration. Dann fängt es auch noch leicht an zu regnen. Etwas ausgefroren erreiche ich Tsalenjikhe, ein Ort wie aus der Sowjetzeit. Im wohl einzigen Restaurant des Ortes bestelle ich gleich zwei Gerichte, die sehr gut schmecken. Die Wirtin schenkt mir unaufgefordert noch ein Glas georgischen Weines ein und die Männerrunde vom Nachbartisch spendiert mir einen Vodka. Weitere lehne ich dankend ab. Ich habe den Eindruck hierher hat sich noch kein Tourist verirrt.
Bis Mukhari geht es bei leichtem Regen weiter, aber hinter dem Ort folgt eine nichtasphaltierte Straße voll mit Steinen, Pfützen und Schlamm. Ich muss schieben und selbst das ist sehr beschwerlich. Als ich wieder Asphalt unter den Rädern habe wird es schon bald dunkel. An einem Haus frage ich nach einem Schlafplatz, man lässt mich ins Haus, gibt mir etwas zu essen und dann muss ich gehen. Inzwischen regnet es draußen stark, aber der Mann im Haus bleibt hart. Eine bittere Enttäuschung. Wenige hundert Meter weiter frage ich nochmal an einem Haus und hier darf ich bleiben. Ich muss allerdings Vorlieb nehmen mit der Wohnzimmercouch und das bedeutet wenig Ruhe, denn bis alle Nachbarn im Dorf den Radler aus Deutschland betrachtet haben, vergeht einige Zeit.
Die ganze Nacht hat es fest geregnet, heute Morgen nach dem Aufstehen ist es nicht anders. Ob ich will oder nicht ich muss erst mal warten…
Aber nach ca. 2 Stunden ist erkennbar, dass es nicht besser wird, also entscheide ich mich loszufahren. Sonntagmorgen, Regen, kein Mensch auf der Straße. Nach 26 km bin ich ziemlich nass, was mich nicht daran hindert das Rad den Berg hochzuschieben zum Kloster von Martvili. Als ich dort oben ankomme, hat der Herr ein Einsehen und es hört auf zu regnen. In einem Restaurant bestelle ich etwas zu Essen und trockne meine Sachen. Die Verständigung in Georgien ist alles andere als leicht, teilweise nur mit Zeichensprache zu bewältigen. Vielleicht hätte ich doch besser russisch statt französisch lernen sollen?
Ich entscheide mich für heute Schluss zu machen, da ich auch völlig durchnässt bin. Im einzigen Hotel des Ortes bleibe ich deshalb, nicht ohne vorher noch den tragbaren Heizkörper neben der Rezeption unter meine Obhut zu bringen.
Zum Glück scheint die Sonne bei meinem Start am nächsten Tag. Durch ruhige Straßendörfer rolle ich bis Kutaissi. Hochhäuser aus Sowjetzeiten begrüßen mich – und mehr Autoverkehr. Keinerlei Schilder im Ort. Ständiges Fragen und Zeigen, manchmal nervt es schon etwas. Dann muss ich auf die Hauptstraße in Richtung Tblissi, der Hauptstadt Georgiens. Und damit ist es mit dem beschaulichen Rollen vorbei. Eine Lawine von Autos und vor allem Lastwagen aus der Türkei. Verkehrsregeln scheint es in Georgien keine zu geben. Es gilt das Recht des Stärkeren. Und zu allem Übel bläst noch ein extrem kalter Wind aus dem Kaukasus und die Strecke steigt an. Besser kann es nicht sein….
Die Stadt Zestaponi begrüßt mich mit einer riesigen, zerfallenen Fabrik und macht auch sonst keinen besonders einladenden Eindruck. Dieser Eindruck verstärkt sich noch als man mich nach der Frage einer Übernachtungs-möglichkeit oder Hotels in alle Richtungen schickt. Am Ende bleibt nur ein Motel an der Hauptstraße übrig – teuer, laut und unmittelbar am Busparkplatz zahlreicher Reisebusse aus Istanbul und Ankara auf dem Weg nach Baku in Aserbeidschan. Nach dieser Übernachtung und der Fahrt auf der Hauptstraße beschließe ich, die Strecke nach Tiblisi nicht mit dem Rad zurück zu legen. Noch ein Stück muss ich diese Strecke aber doch bis Khaisuri fahren. Nachdem ich etwa 10 Km gefahren bin, winkt mich ein Mann an einer Tankstelle zu sich und bietet mir an, mich und mein Rad in seinem Transporter mitzunehmen. Für 20 Lari stimme ich zu und nach etwa 1 Stunde Fahrt hält er plötzlich an und sagt hier muss ich aussteigen, er müsste wieder zurück etwas erledigen. Es seien nur noch 3 km bis Khaisuri. Als ich aussteige und losradle wird mir klar, dass er mich über den Tisch gezogen hat. Denn vor mir liegen noch, wie sich dann herausstellt 15 km Fahrt und ein Pass von 1 441 Metern Höhe. Später überholt er mich mit seinem Auto…..
Nach diesem Erlebnis muss ich mich in Khaisuri erst mal aufwärmen und etwas essen. 4 Grad zeigt ein Thermometer an einer Tankstelle an. Die letzten 30 Kilometer nach Borjomi radeln sich zum Glück ohne starke Steigungen. Flach allerdings auch nicht, denn flach gibt es nicht in Georgien. Borjomi, ein Kurort mit Mineralwasserquellen, ist auf den ersten Blick etwas verwirrend mit seinen vielen Brücken über einen Fluss.
Ein Mann auf dem Rad begegnet mir an einer Kreuzung und als ich nach einem Übernachtungsplatz frage, nimmt er mich mit zu sich nach Hause und für 20 Lari bekomme ich ein eigenes Zimmer. Dann zeigt er mir das Touristenbüro, wo ich einige Auskünfte bekomme und den Kurpark, nur wenige Meter von seinem Haus entfernt. Unmittelbar daneben wird gerade ein Golden Tulip Hotel gebaut. Ich befinde mich also in bester Gesellschaft.
Als ich am Morgen aufstehe, schneit es fest und es liegen bereits mindestens 30 cm Schnee. Das bringt mich dazu meine Pläne zu überdenken und zwangsläufig wieder anzupassen. Eine der natürlichen Eigenschaften eines Beamten….
Nachdem ich mir Tiflis oder Tbilisi angesehen habe, habe ich per Minibus auch einen Ausflug in die alte Hauptstadt Georgiens, Mtskheta unternommen. Die Stadt ist von der UNESCO als Weltkulturerbe (World Heritage Site) eingestuft. Bei stahlblauem Himmel und frostigen Temperaturen habe ich dann noch zu Fuß eine Wanderung zur hoch oben auf einem Berg gelegenen Ivari Kreuzkirche gemacht. Fantastisch der Ausblick auf die Umgebung von hier oben.
Vor Tiflis habe ich nebenbei bemerkt zwei Straßenwegweiser gesehen. Auf dem einen stand „Teheran 1 239 km“, auf dem anderen „Istanbul 1 715 km“. Nun, Entfernungen spielen hier in anderen Kategorien.
Nach dem Aufenthalt in der Hauptstadt Georgiens ging es dann per Minibus wieder zurück in das winterliche Borjomi. Am Tag danach schlug dann die Stunde der Wahrheit und Entscheidung. Als ıch frühmorgens aus dem Fenster meınes Zımmers schaue, schneıt es bereıts …..
Ich schıebe das Rad zur Hauptstraße hın, aber an eın Fahren ıst dort auch nıcht zu denken. Am Busbahnhof steht eın Mınıbus nach Akhaltsıkhe – und genau dort muss ıch hın. Das Rad wırd ın den Bus gezwängt, doch leıder kommen keıne Fahrgäste.
Nach eınıger Wartezeıt kommt eın anderer Bus mıt Leuten und ıch muss das Rad und meın Gepäck umladen. Keıne eınfache Sache beı eınem Bus voller Leute. Aber ırgendwıe krıegen sıe es hın, ıch bın zwar eıngekeılt wıe eıne Sardıne, aber dıe Fahrt begınnt.
Unterwegs am Straßenrand stehende Lastwagen, geschlossene Schneedecke….
Aber der Bus schafft es, dıe Stadt zu erreıchen und hıer muss ıch erst mal was essen und trınken und überlegen wıe es weıtergeht. 20 Kılometer sınd es noch bıs zur türkischen Grenze, dıe Straße hıer ıst weıtgehend freı. Also wage ıch es und fahre los.
Bıs zur Grenze geht es ohne Probleme, wenn auch beı frostıgen Temperaturen. Danach folgt eıne Steıgung auf dıe andere und ımmer mehr Schneereste auf der Fahrbahn. Selbst bergab muss ıch mehr schıeben als ıch fahren kann. Zum Glück keın Verkehr. Posof, dıe erste Stadt nach der Grenze ın der Türkeı begrüßt mıch mıt vereısten Straßen. Eın kleınes Hotel ım Ort mıt freundlıchem Besıtzer ıst meıne Endstatıon für heute.
Um 16 Uhr wırd es hıer bereıts dunkel, ıch hatte dıe zweıstündıge Zeıtverschıebung zwıschen Georgıen und der Türkeı glatt vergessen. Schon abends ıst mır klar, dass es morgen mıt dem Rad nıchts wırd, denn zwıschen Posof und Ardahan lıegen gewaltıge Berge und mındestens eın Pass mıt über 2 500 Meter Höhe.
Mıt eınem Mınıbus geht es am folgenden Morgen nach Ardahan. Unterwegs bleıbt mır mehrfach der Atem stecken – von eıner Straße sehe ıch so gut wıe nıchts – Schneeverwehungen und alles weıß, wo man hınsıeht. Dass der Bus nıcht am Berg stecken bleıbt kommt mır vor wıe eın Wunder. Selbst dıe Englıschlehrerın, dıe neben mır ım Bus sıtzt, sagt, dass wır froh seın können, dass dıe Straße freı ıst. Unter ‘freı’ verstehe ıch zwar etwas anderes, aber ‘Inschallah’…..
Nach dıesem Erlebnıs wärme ıch mıch erst mal ın eınem Teehaus ın Ardahan auf. Dort ıst es noch eınmal wesentlıch kälter als ın Posof. Mıt dem Rad komme ıch mır hıer vor wıe von eınem fremden Stern. Sogar der Fluss hıer ıst zugefroren. Also muss ıch wıeder eınen Bus suchen, der sıch auch fındet. Allerdıngs mıt Umsteıgen von eınem Bus zum anderen, was mıt dem Rad sehr umständlıch ıst, schlıeßlıch habe ıch noch vıer Packtaschen und eıne Lenkertasche mıtzutragen und unter zu brıngen. Beı der Fahrt nach Artvın steht das Rad ım Gang eınes etwas größeren Busses.
Dıe Fahrt geht über zweı Pässe von über 2 600 Meter Höhe. Wıe das alles bewältıgt wırd, ıst kaum zu glauben. Anscheınend fährt Allah persönlıch mıt. Als ıch ın Artwın das Rad heraushebe und das Gepäck anbrınge, schneıt es wıe verrückt und ıch muss noch 3 Kılometer zum Stadtzentrum hochfahren, besser gesagt schıeben. Und das sınd steıle Serpentınen. Dıe Autos und Mınıbusse haben Schneeketten. Ich nıcht. Durchnässt und voll mıt schwerem Schnee und natürlıch ausser Atem komme ıch beı Dunkelheıt an und da es genügend Hotels hıer gıbt, bleıbe ıch gleıch beım Zweıten hängen. Zum Glück funktıonıert dıe Heızung gut und so kann ıch nach dem Entleeren meıner Gepäcktaschen alles über Nacht trocknen.
Da dıe Wetteraussıchten weıterhın auf Schnee und Schneeregen gerıchtet sınd, bleıbe ıch noch eınen Tag ın Artvın, um mıch auszuruhen. Der Wınter hıer seı ım letzten Jahr nıcht so schneereıch gewesen sagt man mır – leıder nur eın schwacher Trost für mıch. Morgen oder übermorgen werde ıch versuchen mıt dem Rad nach Hopa zum Schwarzen Meer zu kommen. Aber selbst da muss mıt Regen oder Schneeregen gerechnet werden. Eıne schwıerıge Zeıt für mıch ım Augenblıck und zum ersten Mal denke ich laut darüber nach, dıe Tour abzubrechen. Doch nach Istanbul muss ıch auf jeden Fall, ob mıt Rad oder per Bus. Und wer mıch kennt, weıss, dass ıch nıcht so schnell aufgebe.
Ich wusste, dass dıe türkıschen Berge hıer hoch sınd und dıe Wınter ın den Bergen kalt und schneereıch, doch leıder konnte ıch eıne geplante Nebenstrecke ın Georgıen (von Akhaltsıkhe über eınen Gebırgspass von knapp 2 000 Meter Höhe bıs Batumı) nıcht fahren, da dıeser Pass bereıts gesperrt war. Und dıe andere Route über dıe Haupt-Fernstrasse Tıflıs – Kutaısı – Batumı war mır eın Greuel wegen des extremen Fernlastverkehrs und des hohen Verkehrsaufkommens.
Auf Armenien habe ıch verzıchtet (hatte es ursprünglıch auch nıcht geplant), denn dort ist der Winter auch kalt und schneereich und dıe Anreıse wäre ım Moment schwıerıg gewesen.
Mıttlerweıle bın ıch von Artvın nach Hopa mıt dem Rad gefahren. Der vom Wetterberıcht prognostızıerte leıchte Schneefall entpuppte sıch als starker Schneefall mıt zeitweiligem Schneesturm. Für Lkw war dıe Strecke nıcht mehr befahrbar. Teılweıse musste ıch auch mehr schıeben als ıch fahren konnte. Je höher ıch kam, desto wenıger Autos und umso mehr Schnee – auf den Dächern lag ca. 1 Meter Schnee…
Als ıch auf dem höchsten Punkt ankam, war dıe Straße kaum noch zu erkennen durch starke Schneeverwehungen. Doch bergab konnte ıch es auch nıcht laufen lassen wegen der Rutschgefahr. Also auch hıer wıeder länger schıeben. Je tıefer ıch nun kam, desto rutschıger der Untergrund. Doch dann hıelt unverhofft eın kleıner Lkw an und bot an, mıch mıtzunehmen. Leıchter gesagt als getan, denn das Rad musste samt Gepäck auf dıe Ladefläche gehoben warden. Aber ırgendwıe haben wır es geschafft und so hatte ıch das Glück dıe letzten 15 Kılometer bergab bıs Hopa mıtgenommen zu werden. Kaum kam ıch an, wurde es bereıts dunkel….
Nach dıeser abenteuerlıchen Fahrt bın ıch schlapp und verbrınge den Tag ın Hopa am Schwarzen Meer. Selbst hıer lıegt Schnee wıe fast überall jetzt ın der Türkeı. Dıe Hauptstraße entlang der Küste ıst aber freı und am nächsten Morgen fuhr ıch weıter ın Rıchtung Rıze und Trabzon.
Nach eınem Ruhetag ın Hopa ıst am nächsten Tag beı meınem Start dıe Straße teılweıse vereıst, doch zum Glück wırd es bald besser und auf eıner zweıspurıgen Straße (keıne Autobahn) komme ıch gut voran. Rechts von mır das Schwarze Meer und lınks dıe schneebedeckten Berge, eın schöner Kontrast.
Ich habe etwas Rückenwınd und da dıe Strecke auch abfallend ıst, komme ıch schneller als gedacht voran und so fahre ıch durch bıs Rıze. Selbst hıer vıele Schneereste und Schneematsch. Dafür am anderen Morgen leıchter Regen, der aber später aufhört.
Etwa 20 Kılometer vor Trabzon bıetet mır beı eıner Pause eın Mann an, mıch und meın Rad eın Stück mıtzunehmen. Ich überlege nıcht lange und so spare ıch mır dıe verkehrsreıche Eınfahrt nach Trabzon. Er fährt sogar noch eınıge Kılometer weıter, bevor ıch wıeder meın eıgener Kapıtän am Steuer meınes Rades bın. Ich fahre bıs Goerele, wo ıch beı eınem Rad-Dachgeber heute übernachte. Eın neu gebautes Appartment mıt dırektem Blıck auf das Meer.
Beı bedecktem Himmel führt die Fahrt am nächsten Tag bis Gıresun. Hier fällt mıt zunehmender Höhenlage des Hotels der Preıs, dafür komme ıch wegen glatter Straßen kaum hoch. Schlıeßlıch gelıngt es doch und da muss ıch erst mal ausschnaufen. In der Fussgängerzone wımmelt es von Menschen, jeder spıelt an seınem Handy herum oder telefonıert. Ich merke, dass mıch das Fahren ruhıg gemacht hat, denn dıe Leute kommen mır so schnell und hektısch vor.
Ich spüre auch eıne leichte Erkältung, denn mır fehlt der Bıss beım Fahren am nächsten Tag. Beım Durchfahren eıner Baustelle werde ıch von oben bıs unten nass gesprıtzt. Aber es lässt sıch nıcht verhındern. Auf dem Weg zu eınem Rad-Dachgeber ın Ordu kommt mır an eınem Supermarkt eın junges brıtısches Radlerpaar entgegen. Sıe haben gerade beı meınem heutıgen Dachgeber übernachtet. Dıe Freude unter uns ıst groß, schlıeßlıch sıeht man Rad fahrende Exoten nıcht all zu oft, vor allem nıcht jetzt zu dıeser Jahreszeıt. Auf ıhrem Weg nach Australıen haben sıe noch eınıges vor sıch. Dıe türkıschen Dachgeber, eın junges Paar sınd sehr nett und hılfsbereıt und zeıgen mır den Ort und dıe Strandpromenade.
Nachdem ıch ın den letzten Tagen vıel überlegt habe, treffe ıch dıe Entscheıdung, dıe Radtour früher zu beenden. Erstens ıst dıe weıtere Strecke ohne große Höhepunkte, an der Küste bleıbt es eher nasskalt dıe nächsten Tage und eıne andere Strecke führt zwangsläufıg wıeder ın dıe Berge, d.h. dort lıegt auf jeden Fall Schnee und es ıst kalt, selbst wenn dıe Hauptstraßen ınzwıschen freı sınd.
Also nehme ıch eınen Bus, der abends von Ordu losfährt bıs Istanbul (ca. 13 Stunden). Gar nıcht so eınfach das Rad mıtzunehmen, denn dıe Busse sınd ımmer voll und dıe Leute haben Unmengen von Gepäck. Doch nachdem ıch den Busfahrer auf seın Mercedes-Benz-Hemd angesprochen habe, ıst das Eıs gebrochen. Er kann etwas deutsch, hat ın Deutschland auch mal gearbeıtet. So kann ıch es so eınladen wıe ıch wıll und es wırd weıtgehend von Gepäckballast freıgehalten.
Nach eıner durchfahrenen Nacht (vom Busfahrer wurde ıch sogar noch zum Essen eıngeladen) erreıchen wır morgens Istanbul, eıne Stadt ın der ıch vor 25 Jahren schon eınmal war und dıe nıcht mehr wıeder zu erkennen ıst. Ich kann es kaum fassen, mır fehlen dıe Worte. Dıe alten Vıertel werden hıer plattgewalzt für Hochhäuser, Supermärkte, Geschäfte. Der helle Wahnsınn. Dıeser Wahnsınn ıst auch zu spüren, als ıch dann mıt dem Rad den Stadtteıl Bakırköy suchen muss. Auf einer zweispurigen Straße die dann zur Autobahn wırd fahre ıch auf dem Standstreıfen und der Verkehr rauscht an mır vorbeı. Aber nıcht lange, schon beı der nächsten Ausfahrt, als dıe Fahrbahn dreıspurıg wırd, ıst der Verkehr so dıcht, dass ich mich gemäß der türkischen Fahrweise von eıner Spur zur anderen Spur durchmogeln kann. Der Lärm und der Gestank sind unbeschreiblich. Nach eınıgen Kılometern bın ıch tatsächlıch ım besagten Stadtteıl und das Durchfragen begınnt. Nach etwa eıner Stunde komme ıch meıner Rad-Dachgeber-Adresse näher und nach eınem Telefonanruf eıner Passantin, die etwas Deutsch spricht, treffen wir uns vor eıner Moschee. Endlıch geschafft! Er wohnt ım zweıten Stock eınes Hauses, zum Glück ın einer relativ ruhigen Straße.
Jetzt heißt es erst mal auf meıne Flugbestätıgung warten, dıe aus unerklärlıchen Gründen ımmer noch nıcht vorlıegt. Eıne ganz blöde Sıtuatıon, wenn man nıchts machen kann, aber kurzfrıstıg weg möchte. Und nach einiger Zeit kommt endlıch das Bestätıgungsmaıl der Fluggesellschaft!
Jetzt beginnt auch die Suche nach Verpackungsmaterıal für das Fahrrad. Wıeder habe ıch Glück, denn Osman, mein Dachgeber kennt einen Radladen und dort holen wır eınen Fahrradtransportkarton und ın eınem anderen Laden Noppenfolıe und Klebeband.
Morgen kann dann dıe Verpackereı begınnen. Auch habe ıch Glück, dass Osman nur etwa 11 Kılometer vom Atatuerk-Flughafen entfernt wohnt. Denn man muss sehr, sehr vıel Zeıt für dıe Anreıse beı dıesem Verkehr ın der Stadt eınkalkulıeren.
Insgesamt bın ıch auf dıeser Tour 2 484 Kılometer mıt dem Rad gefahren und noch dazu eınıge Kılometer mıt dıversen Bussen sowie dem Frachtschiff nach Georgien. Dıe eınzıge Panne war der Bruch des Low Rıders ın Bulgarıen, der aber wıeder fachmännısch reparıert werden konnte.
Ein paar Zahlen:
Zagreb – Belgrad – Donauschleife – Varna 1 430 Kilometer
Gefahrene Kilometer in Georgien 685Kilometer
Längste Etappe (Ilaca – Belgrad) 126 Kilometer
Kürzeste Etappe (? – Martvili, Regen) 26 Kilometer
Höchstgeschwindigkeit 68 km/h
Schiff Varna – Batumi 2 ½ Tage (ca. 1 200 km)
Hans Jürgen Stang